Der Sommer des glücklichen Narren
bis wir zu Hause waren.
Ein Gespräch mit meiner Tochter
Am nächsten Tag traf ich Lix zum Mittagessen. Steffi wollte nicht mitkommen, und vielleicht hatte sie recht. Man mußte den Dingen Zeit lassen, sicher war es besser, meine Tochter allein zu treffen. Lix erschien mir nicht ganz so lebhaft wie sonst. Sie erzählte zwar viel von der Schule und von ihren Freundinnen, aber sie sprach kaum von ihrem neuen Zuhause.
»Na, und deine Freundin Dolly?« fragte ich schließlich.
»Ach die!« machte Lix verächtlich. »Die hat ja 'nen Knall.«
»Wieso denn das?«
»Immer muß sie angeben. Wo sie überall schon war, und was sie alles kann und hat. In der Schule ist sie reichlich blöd, das kannst du mir glauben. Viel dümmer als ich. Bloß weil sie viele Kleider hat und schon in Italien war und in der Schweiz, bildet sie sich sonstwas ein. Und neulich hat sie gesagt: Schriftsteller sei überhaupt kein Beruf. Das sei ein Zeitvertreib für Leute, die nicht arbeiten wollten. Und Geld könne man damit überhaupt nicht verdienen.«
»So«, sagte ich und betrachtete sie aufmerksam.
»Und auf Geld allein käme es im Leben an, hat sie gesagt. Aber ich hab' ihr vielleicht eine geschmiert, und dann haben wir uns furchtbar geprügelt, und seitdem reden wir nicht mehr zusammen.«
Ich war gerührt. Meine Tochter hatte sich für mich geschlagen.
»Eigentlich«, sagte ich, »bist du schon zu groß, um dich zu prügeln. Aber ich verstehe, daß du dich geärgert hast. Mir scheint, diese Dolly ist eine kleine Gans. Nun ja, es gibt vielerlei Meinungen, nicht wahr? Das wissen wir beide. Du solltest dich darüber nicht ärgern. Ich will auch nichts zur Verteidigung meiner Arbeit sagen. Du kennst mich, und wenn du älter wirst, dann wirst du alles besser verstehen und selbst urteilen können. Dann sollst du dir deine eigene Meinung bilden. Über mich, über meine Arbeit, über Leute meinesgleichen. Ich werde dich nie beeinflussen, Lix. Ich vertraue auf deinen Verstand und auf dein Gefühl. Ich könnte zu dir sagen: Geld ist nicht so wichtig. Andere Dinge im Leben sind wichtiger. Aber ich sage es nicht. Geld ist schon in gewisser Weise wichtig. Es ist aber nicht der Maßstab aller Dinge, man muß das richtige Verhältnis dazu gewinnen, und das muß jeder für sich allein tun. Und jeder muß auch wissen, wie er leben will. Man kann niemandem einen Fahrplan für sein Leben aufstellen. Du bist ein intelligentes Mädchen. Und du wirst es schon lernen, Menschen und Dinge zu beurteilen. Mit deinem Maß und deinem Geschmack. Darauf vertraue ich. Und darum vertraue ich auch darauf, daß wir beide immer gute Freunde sein werden. Oder vielleicht später, wenn du älter bist, erst richtig werden können.«
Ich hatte ganz ruhig gesprochen, ohne pädagogischen Zeigefinger, ganz gelassen, im Konversationston, wie ich zu einem Erwachsenen sprechen würde.
Lix hörte mir aufmerksam zu. Es freute sie, daß ich so ernsthaft und vernünftig mit ihr sprach. Sie nickte mehrmals mit dem Kopf und sagte: »Ich verstehe dich sehr gut, Paps. Ich weiß, was du meinst. Wir werden immer Freunde sein. Da kann Mami heiraten, wen sie will. Und solche Leute, wie Dolly und ihr Vater – phhh!, die imponieren mir gar nicht. Bloß weil sie Geld haben.«
Ich räusperte mich. »Na ja, du mußt natürlich zu Dolly und auch zu ihrem Vater ein einigermaßen freundschaftliches Verhältnis haben. Schließlich wirst du ja mit ihnen leben. Und Mami wird ihn heiraten. Und …« Ja, was noch? So einfach war das alles nicht. Nicht für so ein junges Kind wie meine Tochter. »Und ich glaube, Herr Killinger ist ein sehr tüchtiger Mann.«
»Kann ja sein«, meinte Lix, aber es klang nicht sehr überzeugt. »Aber weißt du, Paps, eigentlich kann ich nicht verstehen, warum Mami ihn heiraten will. Er ist … er ist …« Sie runzelte die Stirn und suchte nach Worten. »Er ist nicht so richtig lieb zu ihr. Nicht so, wie du es warst.«
Das Gespräch wurde langsam schwierig. »Das kann ich nicht beurteilen. Und du sicher auch nicht. Ich denke, Mami ist alt genug, um zu wissen, was sie tut.«
»Meinst du?« fragte mich meine Tochter, und ihre Stimme war voller Skepsis. Und wenn ich ehrlich gewesen wäre, hätte ich antworten müssen: Nein, das meine ich nicht. Ich meine, daß deine Mutter ein unvernünftiges Kind ist, das den Kopf und das Herz voll unvernünftiger Wünsche hat und dabei das Wesentliche übersieht. Sie läßt sich blenden, und sie … Ja, was noch? Sie würde
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