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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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für unsere jeweiligen freien Mitarbeiter. Möchten Sie Lukes Zimmer sehen?«
    Als Alice Morgenstern sich von ihrem Stuhl erhob, breitete sich der Duft ihres Parfüms wie eine Aura um sie aus. Es war frisch und leicht und gehörte bestimmt in die alleroberste Preisklasse, wie das gesamte Outfit dieser Frau.
    Lukes Büro war gerade groß genug für einen Schreibtisch und zwei Meter Regal. Auch hier war alles weiß, bis auf den mattsilbernen Monitor des Computers.
    Die peinliche Ordnung sprang Merle sofort ins Auge. Kein Brief, kein Prospekt, kein Parkbeleg, der Schreibtisch blank geputzt. Es war nichts da, was auf Luke als Person schließen ließ, nicht mal ein Kalender. Das hier hätte der Arbeitsplatz eines jeden x-beliebigen Ordnungsfanatikers sein können.
    »Mir ist ja schleierhaft, wie jemand so arbeiten kann.« Alice Morgenstern betrachtete den Schreibtisch mit unverhülltem Misstrauen. »Selbst im heftigsten Stress liegt hier nicht mal eine Büroklammer herum.«
    »Darf ich?«
    Jette wies auf das Regal. In diesem Moment meldete sich Alice Morgensterns Handy.
    »Hi, Darling«, zwitscherte sie, beantwortete Jettes Frage mit einer einladenden Handbewegung, die das gesamte Zimmer umfasste, und zog sich zum Telefonieren in ihr eigenes Büro zurück.
    Während Jette das Regal inspizierte, beugte Merle sich über den kleinen Rollschrank neben dem Schreibtisch und zog nacheinander die Schubladen heraus. Kugelschreiber und Tintenroller in passgenauen Kästchen. Bleistifte, Anspitzer, Textmarker. Kanariengelbe und kiwigrüne Post-its. Ein Stadtplan von Köln. Visitenkarten von Kerres und Söhne . Briefumschläge in sämtlichen Größen. Briefmarken. Die Speisekarte eines chinesischen Take-aways. Ein billiges Einwegfeuerzeug aus Plastik.
    »Das ist ja fast schon unheimlich.«
    Merle richtete sich auf und ließ das Zimmer in seiner Gesamtheit auf sich wirken.
    »Würde mich nicht wundern, wenn dein Luke beim Arbeiten Gummihandschuhe getragen hätte.«
    Jette blätterte in einem blauen Aktenordner.
    »Kann ich dir helfen?«, fragte Merle.
    Jette schüttelte den Kopf.
    »Ich bin durch«, sagte sie und stellte den Ordner wieder an seinen Platz.
    »Nichts gefunden?«
    »Nicht ein Haar.«
    Merle unterdrückte den Impuls, Jette in die Arme zu nehmen.
    »Enttäuscht?«
    »Nein. Dieser Besuch hat uns durchaus weitergebracht.«
    Verständnislos starrte Merle sie an.
    »Die Ordnung bei Luke zu Hause konnte Zufall sein. Vielleicht hatte er gerade aufgeräumt und ausgemistet, was weiß ich. Aber nach dem hier …«
    Sie schaute sich um und schüttelte den Kopf.
    »… nach dem hier wissen wir definitiv, dass Luke einen Grund gehabt haben muss, so konsequent Ordnung zu halten.«
    »Wieso?«
    »Luke ist kein engstirniger Kleingeist, Merle. Das hier passt überhaupt nicht zu ihm. Er hat Phantasie und Einfühlungsvermögen, ist warmherzig und freundlich. Nichts davon findest du in seiner Umgebung wieder. Hier sieht es aus, als hätte jemand beschlossen, ein Büro einzurichten und dann eine Liste der Gegenstände abgearbeitet, die landläufig in ein Büro gehören.«
    Jette redete sich in Rage. Merle fragte sich, ob sie denselben Menschen meinten. Niemals hätte sie Luke als phantasievoll und einfühlsam bezeichnet, und als warmherzig empfand sie ihn erst recht nicht. Ihr kam er ganz anders vor, kühl, beherrscht, fast abweisend.
    »Und was schließt du daraus?«
    »Dass Luke …«
    Jette suchte nach Worten. Unsicher hob sie die Hände, als könnte sie die Worte aus der Luft pflücken.
    »… dass er … eine Rolle spielt.«
    »Geht das auch ein bisschen genauer?«
    »Nein. Es ist ja nur so ein Gefühl.«
    »Eine Rolle?«
    »Als müsste er den Leuten etwas vorspielen, etwas darstellen, was er überhaupt nicht ist.«
    »Warum sollte er das tun? Wer oder was zwingt ihn dazu?«
    Jette war blass geworden. Sogar aus ihren Lippen war das Blut gewichen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, und aus ihrer Stimme, ihrem Blick und ihrer Haltung sprach eine solche Verzweiflung, dass Merle der nächste Satz auf der Zunge erstarb.

12
    Glaubte Alex wirklich, eine Chance zu haben? Er wusste doch, wie es in der Organisation lief. Er hatte es mit Profis zu tun, nicht mit ahnungslosen Amateuren.
    Kristof konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Auf Hildesheim wäre er nicht gekommen. Er fragte sich, was Alex mit diesem Nest verband. Bei Freunden jedenfalls war er nicht untergetaucht. Er hatte sich in einer Pension verkrochen. Wahrscheinlich weil er außer

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