Der Sonntagsmann
darum zu kümmern, ob er sich am Auto festklammerte. Sie merkte schnell, dass sie ihn abgehängt hatte. Würde er sie verfolgen?
Plötzlich sah sie zwei Scheinwerferkegel vor sich. Ein Auto. Sollte sie anhalten und um Hilfe bitten? Das Auto fuhr auf dem schmalen Weg ganz dicht an ihr vorbei. Der Fahrer musterte sie im Vorbeifahren. Sie drehte sich um und sah den Rücklichtern hinterher. Ein Polizeiauto. Wieso das? Dann schaute sie wieder nach vorn und sah zwei weitere Scheinwerfer. Ein Wagen, der sehr schnell zu fahren schien. Direkt vor ihr bremste er mit quietschenden Reifen abrupt ab. Er schleuderte und kam erst im Graben zum Stehen. Die Tür flog auf, der Fahrer sprang heraus. Robert.
»Alles in Ordnung?«, fragte er keuchend. Er war vor Aufregung ganz zittrig.
»Er wollte …« Sie stockte. »Er hat mich angegriffen!«
»Johannes«, sagte Robert. »Er war hier. Ich habe ihn im Ort gesehen. Sie haben sich gegen uns verbündet.«
»Warum wollen sie, dass ich nichts erfahre? Warum?«
Sie versuchte sich zu beruhigen. »Gerade eben ist hier ein Streifenwagen vorbeigefahren«, sagte sie. »Hast du …?«
»Ein Polizeiauto? Das muss eine Falle sein! Vielleicht wollte er dich festnehmen?« Er sah Kari in der Dunkelheit an.
»Bjerre hat uns angelogen. Sie wollen uns drankriegen. Wir landen noch wegen des Einbruchs bei ihm und was weiß ich noch alles vor Gericht. Komm, schnell!« Er öffnete die Fahrertür und setzte sich hinter das Lenkrad. Kari nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
»Da war noch mehr«, sagte sie, als sie losfuhren. »Das Boot. Er wollte mich nicht nur festnehmen. «
»Du Ärmste«, meinte er. »Aber jetzt fahren wir nach Hause. Hier können wir nicht länger bleiben.«
Kari erwiderte nichts. Sie schwieg, ließ sich zur Landstraße, von dort weiter auf die Fähre, die zum Festland übersetzte, und nach Schweden fahren.
Didriksen bremste. Im Scheinwerferlicht stand ein Mann mitten auf der Straße. Die Arme hingen kraftlos an seinem Körper herab. Didriksen und Elina stiegen aus.
»Sind Sie Leif Oskar Bjerre?«, fragte Didriksen.
»Und wer sind Sie?«, fragte der Mann zurück.
»Wir sind von der Polizei. Herr Bjerre?«
Bjerre nickte langsam.
»Was machen Sie hier?«
Als Bjerre nicht antwortete, ging Didriksen auf ihn zu.
»Mensch, Sie sind ja tropfnass.«
Er nahm Bjerre am Arm und führte ihn zu ihrem Wagen.
»Wir möchten mit Ihnen sprechen. Auf der Wache.«
52. KAPITEL
Schweigend saßen sie im Auto. Didriksen hatte Elina gebeten zu fahren. Er selbst hatte neben Bjerre auf dem Rücksitz Platz genommen. Als sie an eine Kreuzung kamen, bat Didriksen, statt nach Svolvsær nach links über eine Brücke zu fahren.
»Wir fahren nach Harstad. Ich gehöre nicht zum Polizeibezirk von Svolvsær. Bjerre im Übrigen auch nicht.«
Erst gegen neun Uhr abends trafen sie in Harstad ein. Für Bjerre lagen bereits trockene Kleider bereit.
Der Kriminaltechniker war nicht zur Stelle. Didriksen rief ihn an. »Er will wissen, ob er es auch morgen machen kann«, fragte er und hielt die Sprechmuschel zu.
»Nein«, antwortete Elina. »Lieber nicht.« Sie wollte keine Minute verlieren, wenn es sich vermeiden ließ.
Eine halbe Stunde später war der Kriminaltechniker im Präsidium. Nach einem knappen »Guten Abend« machte er sich ans Werk. Elina gab ihm die Fingerabdrücke aus Jäkkvik, und der Mann verschwand in einen anderen Raum.
Um 0.36 Uhr kehrte er zurück. Elina sprach ein stilles Gebet.
»Der Abdruck von Bjerres rechtem Daumen stimmt mit dem auf einem Glas aus dem Haus im schwedischen Jäkkvik überein«, sagt er, »und zwar ohne den geringsten Zweifel.«
Sie hatte das Gefühl, als bliebe die Zeit stehen. Elina schaute auf die Datumanzeige ihrer Uhr, dann sah sie Didriksen an.
»Heute ist doch der 30. September? Nicht wahr?«
Didriksen lächelte. »Das stimmt. Ich gratuliere.«
Elina versuchte sich zu sammeln und ihre Gefühle im Zaum zu halten. »Ich muss sofort Boel Haraldson anrufen. Die Staatsanwältin. Bjerre muss noch heute in Untersuchungshaft genommen werden, damit die Verjährung nicht eintritt. Und er muss einen Anwalt bekommen.«
»Bitte schön, Frau Wiik. Benutzen Sie mein Telefon.«
Elinas Gedanken rasten, als sie in ihrem Hotelbett lag. Hatte sie den Mörder wirklich gefunden? Welche Konsequenzen ergaben sich daraus? Ein richtiges Glücksgefühl wollte sich nicht einstellen. Erst in der Morgendämmerung schlief sie ein, verschwitzt und mit Kopfschmerzen.
Kurz
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