Der Sonntagsmann
zittern begann. »Ich schließe heute eine Körperverletzungssache ab«, erwiderte sie verbissen.
Ein Kopf an der Längsseite des Tisches wurde hervorgestreckt. Es war der von Jan Niklasson, mit dem sie bei mehreren Ermittlungen zusammengearbeitet hatte. Er war einige Jahre älter als sie, hatte sich aber nie sonderlich hervorgetan. Als Ermittler war er weder gut noch schlecht, fand Elina.
»Wir haben alle sehr viel zu tun«, sagte er. »Jeder hat seine Arbeit zu erledigen.«
Jönsson nickte und stand auf. »Dann wollen wir uns mal den Torturen dieser Woche zuwenden«, meinte er und verschwand auf den Korridor.
Elina sah Rosén an. »Komm einen Moment zu mir rein«, sagte er.
Sie zog die Tür zu seinem Büro hinter sich zu, blieb aber stehen. »Setz dich«, forderte Rosén sie auf und zog ihr den Besucherstuhl heran. »Ich will dir erklären, was Jönsson und Niklasson gemeint haben.«
Schweigend nahm sie Platz. Ihre Wut mischte sich zunehmend mit Unsicherheit, ein nicht sonderlich bekömmlicher Mix.
»Bist du damit einverstanden, wenn ich direkt zur Sache komme?«, fragte er. Sie nickte. »Es wird geredet. Nicht viel, aber ab und zu mal eine Bemerkung. Du seist so was wie die Prinzessin auf der Erbse. Du würdest dich nur mit großen Fällen abgeben, solchen, die Schlagzeilen machen. Um unwichtigere Fälle würdest du dich gar nicht erst kümmern. Andere müssten deine Arbeit machen.«
»Das ist nicht wahr! Ich erledige genauso meinen Teil dieser Dreckssachen. Ich hatte ein Tief, klar, aber nach dem, was war …«
Sie nahm noch einmal Anlauf: »Der einzige Unterschied zwischen den meisten anderen und mir ist, dass eine Menge über die Arbeit der Mordgruppe geschrieben worden ist. Die Presse liebt schließlich Morde! Dass ich dann die meiste Aufmerksamkeit erhalten habe, weil ich eine Frau bin, ist nicht meine Schuld. Glaub mir, ich hätte gerne auf das Rampenlicht verzichtet!«
Rosén hob die Hände. »Ich weiß, ich weiß. Es ist ungerecht, und Jönsson hätte das im Beisein der anderen nicht sagen sollen.«
»Jönsson«, sagte Elina und schüttelte den Kopf. »Er erträgt es einfach nicht, wenn andere Erfolg haben. Was will er denn? Dass bei mir alles den Bach runtergeht und die Mörder frei herumlaufen?«
»Ich werde mit ihm reden. Aber du scheinst dich in der Tat nicht besonders für die Alltagskriminalität zu interessieren, vor allem im letzten halben Jahr. Du bist ab und zu richtiggehend abwesend, sowohl mental als auch physisch. Erst seit Kärnlunds Erkrankung bist du wieder ansprechbar. Ich dachte, du bräuchtest vielleicht etwas Zeit, um über die Ereignisse im vergangenen Herbst hinwegzukommen. Du hast auf gar nichts mehr reagiert. Ich habe dich nicht fragen und auch keine Bemerkung machen wollen, aber ich glaube, du solltest mehr darauf achten, was du hier bei der Arbeit eigentlich tust.«
Er seufzte. »Dieses Gespräch hätte Jönsson mit dir schon früher führen sollen, und zwar unter vier Augen.«
Elina saß stumm da. Sie wusste, dass Rosén recht hatte, sie hatte nur nicht kapiert, wie sehr es aufgefallen war, dass sie die Routinearbeit leid war. Sie erhob sich. Sie hatte keine Lust, sich noch länger darüber zu unterhalten.
»Okay«, meinte sie. »Danke für deine Aufrichtigkeit. Ich werde darüber nachdenken.«
»Versteh das nicht falsch«, sagte er, »und fasse um Himmels Willen keine unüberlegten Entschlüsse. Meines Erachtens bist du die Beste, die wir haben. Zumindest wenn es um komplizierte Fälle geht.«
Ein leises Lächeln huschte über seine Lippen. Sie nickte und erwiderte sein Lächeln.
Als sie wieder in ihrem Büro war, schloss sie die Tür und drückte auf den Knopf, mit dem draußen die rote Besetztlampe anging. Dann verharrte sie fünf Minuten reglos auf ihrem Stuhl. Mit den Augen folgte sie einer Fliege, die vergeblich versuchte, durch das geschlossene Fenster zu entkommen.
Sie klappte den Karton auf, der auf dem Schreibtisch stand. Es war der Karton, den sie am Morgen wieder ins Büro zurückgetragen hatte. Ylva Marieanne Malmberg, dachte sie und ließ den Deckel wieder zufallen. Nur noch ein paar Wochen, dann haben dich alle vergessen. Ich bin deine letzte Chance. Gegen dich ist Jönsson vorgegangen, wenn auch ohne selbst davon zu wissen. Was soll ich jetzt mit dir machen?
Sie nahm sich die Akte über die misshandelte Frau vor und startete ihren Computer. Vor dem Mittagessen wollte sie mit der Akte fertig sein. Tärna musste warten.
Um Punkt zwölf war sie
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