Der Sonntagsmann
»Ich muss erst meine Lesebrille aufsetzen«, sagte er. Dann las er. Seine Lippen bewegten sich: Ylva Malmberg.
»Haben Sie diesen Brief geschickt? Ja oder nein?«
»Nein.« Ihm versagte fast die Stimme. »Das glaube ich nicht.«
»Dieselben Fingerabdrücke sind auf beiden Umschlägen. Wir werden gleich erfahren, ob es Ihre sind. Sollen wir eine kurze Pause einlegen?«
Sie erhob sich und verließ das Zimmer. Sieben Minuten später war sie wieder da. »Der Kriminaltechniker sagt, dass nicht der geringste Zweifel besteht. Es handelt sich um Ihre Fingerabdrücke. Warum haben Sie Ylva Malmberg diesen Brief geschickt?«
Ulf Nyman war grau im Gesicht. »Ich erinnere mich nicht mehr.«
»Lag in diesem Umschlag ebenfalls Geld, als er gefunden wurde?«, fragte der Anwalt an Elina gewandt.
Sie ignorierte die Frage. »Haben Sie ihr Geld geschickt, Herr Nyman?«
Er saß reglos, als sei er an seinem Stuhl festgefroren.
»Sind Sie der Vater von Ylvas Kind?«, fragte Elina.
Als sie keine Antwort erhielt, beugte sie sich zu ihm vor.
»Die Technik macht Fortschritte. Im Haus, in dem Ylva Malmberg zuletzt wohnte, lagen mehrere Gegenstände, die dem Kind gehörten. Ein Schnuller und Fläschchen zum Beispiel. Gutes Vergleichsmaterial. Mit der modernen DNA-Technik ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir darüber Klarheit gewinnen, ob Sie der Vater des Kindes sind.«
»Die Vaterschaft zu ermitteln, ist keine Angelegenheit der Polizei«, wandte der Anwalt ein. »Vater eines außerehelichen Kindes zu sein, ist glücklicherweise kein Verbrechen.«
Elina nickte. »Zugegeben. Wir interessieren uns auch für den Mord.«
Ulf Nyman zuckte zusammen. Elina hoffte, dass er nicht zusammenbrechen würde. Dafür hatte sie keine Zeit.
»Ich habe Ylva Malmberg nicht getötet«, sagte er mit schwacher Stimme.
»Ich werde beim Untersuchungsrichter sofort das Nötige veranlassen«, sagte Elina. »Wir brauchen eine Blutprobe. Da die Zeit knapp ist, werde ich aus ermittlungstechnischen Gründen beantragen, Anklage zu erheben. Der Untersuchungsrichter muss außerdem entscheiden, ob stichhaltige Gründe für eine Untersuchungshaft vorliegen.«
»Ich zweifle daran, dass das Gericht Ihrer Argumentation folgen wird«, sagte der Anwalt.
Elina schwieg einen Augenblick. Sie hatte ihren Trumpf noch nicht ausgespielt: Da Nyman nach Ylvas Tod keine Briefe mehr geschickt hatte, würde das Gericht vermutlich einer Untersuchungshaft zustimmen. Wenn er erst einmal in U-Haft saß, konnten sie den entscheidenden DNA-Vergleich durchführen. Mit der DNA des Spermas, das in Ylvas Leiche gefunden worden war.
»Mal sehen«, sagte sie und sah den Anwalt nachsichtig an. Dann wandte sie sich an Nyman: »Sie könnten die Untersuchungshaft jedoch auf eine Art umgehen.«
»Und zwar wie?«, fragte Nyman.
»Indem Sie freiwillig alles erzählen. Dann könnten Sie alle Unklarheiten, die diesen … Vorfall betreffen, beseitigen.«
Sie zwang sich, Ulf Nyman anzulächeln.
»Ich will erst mit meinem Anwalt sprechen. Unter vier Augen.«
Elena breitete die Arme aus und erhob sich. »Ich warte draußen. Sagen Sie einfach Bescheid.«
Etwa eine Stunde später wurde die Tür geöffnet. Der Anwalt bat Elina, wieder einzutreten. Sie nahm Ulf Nyman gegenüber Platz und wartete. Nyman sah auf den Tisch.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich der Vater des Mädchens bin«, sagte er und hob den Blick. »Aber es könnte sein. Vermutlich ist es so. Wir sind uns in der Schule begegnet und dann … hatten wir eine Affäre.«
Eine Affäre, dachte Elina. Ach, wirklich. Aber sie sagte nichts, sondern ließ ihn mit eigenen Worten erzählen.
»Sie hatte im Frühjahrssemester angefangen. Ich habe ihr dabei geholfen, die Wohnung in Västerås zu finden. Ich habe sie auch bezahlt, sie hätte sie sich sonst nicht leisten können.«
»Damit Sie sie ungestört treffen konnten?«
»Ich wollte ihr helfen. Im Sommer habe ich sie besucht, wenn sich die Gelegenheit ergab. Wir haben miteinander geschlafen. Ich benutzte eigentlich immer ein Kondom, aber vielleicht habe ich das mal vergessen. Dann wurde sie schwanger.«
»Waren Sie immer sonntags dort?«
Er nickte. »Der Sommerkurs in der Korsängsskola in Västerås. Anschließend ging ich zu ihr nach Hause.«
Der Sonntagsmann, dachte sie, war er.
»Ylva hat in ihrem Kalender notiert, dass sie sich mit jemandem getroffen hat, den sie N nannte. Waren Sie das?«
»Kalender? Ich habe keine Ahnung, was sie sich in ihren Kalender geschrieben hat.
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