Der Sonntagsmann
zuckte mit den Achseln. »Wenn ich ihn höre, dann verschwinde ich auf demselben Weg, den ich gekommen bin.«
Robert nahm ihre Hand und drückte sie fest. »Denk an die Taschenlampe und die Fenster«, sagte er. Sie verzog den Mund zu einem Lächeln. Er sah sie hinter dem Haus verschwinden. Die Straße war wieder leer. »Und du behauptest immer, du hättest so viel Angst«, murmelte er.
Sie öffnete die Terrassentür und verschwand wie ein Schatten. Sie lauschte. Alles war still. Ihr Herz klopfte so laut, dass ihr einen Augenblick lang schwindlig wurde. In der Dunkelheit tastete sie sich bis zum Wohnzimmerfenster vor und zog die Gardinen zu. Vor einigen Fenstern waren Rollos angebracht, die bereits geschlossen waren. Dann knipste sie die Taschenlampe an und sah sich um. Sie achtete darauf, nicht direkt auf ein Fenster zu leuchten. Rechts lag die Küche. Links ein Schlafzimmer mit einem schmalen, gemachten Bett. Dann betrat sie ein Zimmer mit einem Tisch voller Federn und Haken. An den Wänden hingen Vitrinen mit bunten Fliegen zum Fliegenfischen und Fotos eines Mannes mit großen Fischen in den Händen. Kari meinte, Bjerre von dem Zeitungsausschnitt wiederzuerkennen. Sie vermutete, dass sich Bjerre nicht weiter von den Männern unterschied, die ihr auf den Inseln begegnet waren. Sie hatten nichts als Fische im Kopf.
Das Wohnzimmer war ordentlich, aber schlicht möbliert. An einer Wand stand ein großer brauner Schrank mit zwei Türen. Kari öffnete ihn. Er hatte mehrere Fächer und Schubfächer. Im obersten Fach standen Videofilme, hauptsächlich amerikanische Actionfilme. Im unteren Fach standen Bücher, ein Nachschlagewerk in vier Bänden und Taschenbücher von Autoren, die Kari nicht kannte. Die Cover ließen auf Science-Fiction-Romane schließen. Daneben stand ein Ordner mit Papieren, bei denen es um das Haus zu gehen schien. Kari stellte ihn wieder an seinen Platz zurück.
Die Schubladen waren mit Krimskrams gefüllt, den Leif Oskar Bjerre nicht hatte wegwerfen wollen. Reiseandenken, ein Schachspiel, Computerteile, kleine Batterien, eine Briefwaage, Kartenspiele, ein kleines Gemälde, Klebstoff in Tuben, Klebestreifen, Papier, alte Uhren, Ansichtskarten, Messer, Untersetzer aus Glas … Gegenstände, die sich im Laufe eines Lebens ansammeln. Kari nahm einen Stapel Ansichtskarten in die Hand. Sie waren von den Kanarischen Inseln und anderen Pauschalreisezielen abgeschickt worden. Die Namen sagten ihr nichts.
In einer Schublade weiter unten lag noch mehr Krimskrams. Ganz zuunterst stieß sie auf einen Stapel Farbfotos. Er war recht dick und die Fotos waren unterschiedlich groß. Farben, Kleidung und Frisuren verrieten, dass sie zu recht unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen worden waren. Sie betrachtete die Männer auf den Bildern. Einer von ihnen tauchte immer wieder auf. Leif Oskar Bjerre …
Kari betrachtete ihn eingehend. Sah er ihr ähnlich? Es war, wie Robert gesagt hatte: Sie waren nicht vollkommen verschieden. War er ihr Vater?
Es gab mehrere Fotos, die Bjerre zusammen mit Fischern zeigten. Andere Aufnahmen zeigten Bjerre zusammen mit einem Hund. Auf einem Bild hatte er eine Frau im Arm. Sie schienen beide um die vierzig zu sein. Die Frau war dunkelhaarig. Kari fand überhaupt nicht, dass sie ihr ähnlich sah. Sie fragte sich, ob die beiden zusammen gewesen waren.
Sie blätterte weiter in der Hoffnung, ein Farbfoto zu finden, das sie als kleines Kind zusammen mit Reidar und ihrer Mama zeigte. Bjerre auf einem Balkon in Badehose. Dann einige verblichene Fotos. Kari erkannte Bjerre wieder, obwohl die Fotos schon sehr alt sein mussten. Er stand vor einer Art Tempel neben mehreren dunkelhäutigen Menschen. Das war weder Afrika noch Vietnam, dachte Kari. Vielleicht Indonesien? Oder Indien? Ein weiteres Foto mit demselben exotischen Hintergrund: Bjerre neben einem Auto. Neben ihm standen zwei Männer in seinem Alter, blauäugig und in weiter, weißer Kleidung. Bjerre hatte seinen Arm um eine blonde, von der Sonne gebräunte Frau gelegt, die lächelte. Kari fragte sich, wer sie wohl gewesen war. Sie drehte das Foto um, aber dort stand nichts.
Sie legte die Fotos wieder zurück und versuchte, alles so zu drapieren wie vorher. Das gelang ihr nicht ganz. Aber wer wollte schon so genau wissen, wie es in einer unordentlichen Schublade ausgesehen hatte? Sie sah sich um. Wo sollte sie nun suchen?
Sie ging ins Schlafzimmer. Im Schrank lagen nur Kleider. Als sie wieder ins Wohnzimmer kam, erstarrte sie. Das
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