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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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Dank der vielen Lebensläufe, die er durchgesehen hatte, wusste er, dass in jedem Menschen ein Cäsar und ein Brutus wohnten und dass sein eigenes Fleisch ihn jederzeit verraten konnte. Das »Et tu« würde kommen, irgendwann, nicht als Dolch in den Rücken, sondern als Knötchen, das er beim Schlucken spürte, als vergrößerte Iris, die ihm im Spiegel auffiel, oder als traubengroße Schwellung, die er zufällig beim Duschen entdeckte.
    In Augenblicken wie diesem beneidete er Geiger. Um keinen Preis hätte Harry mit ihm den Platz getauscht – in Geiger wohnten mehr Dämonen, als auf jedem Gemälde von Hieronymus Bosch zu sehen waren –, aber sein stahlhartes Herz und sein glasklarer Verstand übten ihren Reiz aus. Bei Geiger schien nie etwas Ungewöhnliches vorzufallen. Er wirkte wie ein mystischer Ingenieur, der eine Möglichkeit gefunden hatte, die Aufs und Abs des Zufalls und ihre Auswirkungen abzuschalten. Zu Anfang ihrer Partnerschaft hatte Harry angenommen, Geiger würde irgendein Medikament nehmen, eine Art Stimmungsstabilisator, der allen Erlebnissen die rauen Kanten abschleift, doch mittlerweile glaubte er nicht mehr daran. Falls Geiger tatsächlich unter dem Einfluss irgendeiner Substanz stand, produzierte er sie in seinem eigenen Gehirn, und woraus dieser neurochemische Cocktail auch bestand, Harry beneidete ihn darum.
    Sie waren einander vor elf Jahren gegen drei Uhr morgens im Central Park begegnet. Harry war betrunken gewesen, wie damals jede Nacht, und wurde gerade von zwei Skinheads zusammengetreten.
    Ein paar Jahre zuvor war er zu einem Mann ohne Träume geworden. Nicht, dass er unter Schlaflosigkeit gelitten hätte; die Sache war wesentlich komplizierter: Er war ein Mann geworden, der jede Perspektive verloren hatte, der die Verlockungen des Neuen, Unbekannten und Andersartigen nicht mehr spürte, dem jede Hoffnung auf Veränderung fremd geworden war. Die Träume seiner Jugend waren zu Staub zerfallen; sie waren so tot wie die Menschen, deren Nachrufe Harry verfasste. Deshalb kamen ihm der Aufprall der Stiefelspitzen auf Fleisch und Knochen, der atemberaubende Schmerz und die Möglichkeit, die Welt gleich zu verlassen, geradezu passend vor. Der Verlust war zu seinem ständigen Begleiter geworden, war stets in der Nähe, schlurfte immer ein paar Schritte hinter ihm her. Bei dem Gedanken, ihm endlich Lebewohl sagen zu können, verzog Harry die zerschlagenen Lippen über den zwei abgebrochenen Zähnen zu einem blutigen Grinsen – als Geiger seinen nächtlichen Ausdauerlauf gerade so lange unterbrach, wie er brauchte, um mit einem Wirbel tödlicher Hände und Füße die beiden Schläger unschädlich zu machen. Dann lief er weiter, als wäre nichts geschehen. Harry hatte nicht einmal genügend Luft geschnappt, um ihm zu danken.
    Zwei Wochen später begann Harry, mit dreißig Stichen genäht und zwei neuen Zähnen, eine nächtliche Wache an der Stätte seiner Demütigung. Er brauchte nicht lange zu warten: Schon in der zweiten Nacht kam Geiger bei strömendem Regen in T-Shirt und Jogginghose den gleichen Weg entlang, und Harry hielt ihn auf. Geiger blieb zwar stehen, rannte aber auf der Stelle.
    »Was wollen Sie?«, fragte Geiger.
    »Ich wollte mich nur bei Ihnen bedanken.«
    Geigers nasses Haar glänzte schwarz wie poliertes Ebenholz. Regentropfen rannen ihm die Stirn hinunter in die Augen, doch es schien ihn nicht zu stören. Harry bemerkte, dass er kaum blinzelte.
    »Mein Name ist Harry. Harry Boddicker.«
    Er streckte die rechte Hand aus. Geiger schaute sie nicht einmal an.
    »Darf ich Sie auf einen Drink einladen?«, fragte Harry.
    »Ich trinke nicht.«
    »Na ja, ich dachte nur … Sie haben mir schließlich das Leben gerettet …«
    »Das war Zufall, Harry. Mit Ihnen hatte das nichts zu tun. Wenn die beiden Kerle auf einen Hund eingetreten hätten, hätte ich das Gleiche getan.«
    »Wie wär’s mit einem Kaffee? Kaffee trinken Sie doch wohl?«
    Einen Moment lang blickte Geiger ihn mit seinen starren Augen an, ohne etwas zu sagen. Harry wurde plötzlich unbehaglich; der Mann schien ihn zu inspizieren, zu bewerten. Schließlich nickte Geiger und sagte: »Also gut, Harry.«
    Sie gingen in eine Bar am Broadway und setzten sich an einen Tisch in einer dunklen Ecke, in der es nach Salmiakreiniger roch. Während Geiger einen schwarzen Kaffee trank, gönnte Harry sich drei Wild Turkeys. Während der folgenden drei Stunden lieferte Harry einen biografischen Monolog, bei dem es sich zur einen

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