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Der Spezialist: Thriller

Der Spezialist: Thriller

Titel: Der Spezialist: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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manchmal ein präpubertäres Quietschen, aber sie wies ein unerwartet raues Timbre auf. Geiger fand die Stimme des Jungen beruhigend wie das Cello eines Streichquartetts.
    »Nein«, sagte er.
    Ezra fuhr sich über die feuchte Stirn.
    »Hier ist es ganz schön heiß. Können Sie die Klimaanlage anmachen?«
    »Ich habe keine Klimaanlage.«
    »Keine Klimaanlage? Können Sie dann einen Ventilator einschalten?«
    »Ich habe keinen Ventilator.«
    »Wird Ihnen hier drin denn nicht heiß?«
    »Doch.«
    Der Junge versuchte in Geigers Gesicht zu lesen, suchte nach einem Hinweis auf einen Scherz in den scharf geschnittenen Zügen und den steinernen aschgrauen Augen. Ezra besaß gute Antennen für Sarkasmus. Sarkasmus war der Lieblingstonfall seiner Eltern – sie nutzten ihn für Geplänkel, Vorwürfe, Smalltalk und Streitereien bis aufs Blut. Doch Geiger schien völlig ernst zu meinen, was er sagte.
    »Äh … darf ich duschen?«
    »Ja.«
    Ezra hob eine Hand, berührte vorsichtig seine Wange und verzog das Gesicht. Auf Geiger schien diese Geste, die physische Präsenz eines anderen Menschen, eine magische Wirkung auszuüben, schien sogar die Gestalt des Zimmers zu verändern und seine Größe zu verringern. Flach auf das Lederpolster gelegt kamen die Handflächen des Jungen neben den Oberschenkeln zur Ruhe, als bräuchte er den zusätzlichen Halt, um nicht seitlich über die Kante zu fallen. Er legte den Kopf zurück, und seine Lider sanken herab.
    »Warum tun Sie das?«, fragte er.
    »Was?«
    »Ihre Arbeit.« Ezra öffnete wieder die Augen. »Das ist doch Ihre Arbeit, oder? Menschen wehtun?«
    Geiger nahm Ezra das leere Glas ab und stand auf. Da erst bemerkte er, dass er sich nicht überlegt hatte, wohin er gehen wollte. Er wandte sich wieder dem Jungen zu.
    »Ezra, ist dir klar, dass es um deinen Vater geht? Dass sie herausfinden wollten, ob du weißt, wo er ist?«
    Ezra nickte.
    »Weißt du denn, wo er ist?«
    Der Junge neigte den Kopf zur Seite und verrutschte auf dem Sofa.
    »Woher soll ich wissen, dass Sie keiner von denen sind? Vielleicht tun Sie nur so, als wären Sie nett zu mir, damit ich es Ihnen erzähle.«
    Die Hintertür befand sich in der Küche, in der nach Norden liegenden Hauswand. Geiger ging dorthin und entriegelte die Tür, indem er auf ein Tastenfeld tippte.
    »Wohin gehen Sie?«, fragte der Junge.
    »Nach draußen, eine rauchen.«
    Geiger ging auf die Veranda im Hof. Von der anderen Seite des Zaunes her drang der Geruch nach Maschinenöl zu ihm, als er seine Zigarette anzündete und den Rauch tief inhalierte. Für die Länge des Atemzugs sah er das Bild seines Vaters vor sich. Er blickte hinunter, und perlmuttfarbener Rauch schlängelte sich aus seinen Nasenlöchern. Bis zur frühmorgendlichen Fahrt im Leihwagen war es das einzige Bild seines Vaters gewesen, das in Geigers geistigem Sammelalbum existiert hatte. Er wusste jetzt, dass sich weitere Erinnerungen einstellen würden. Die Seiten würden sich füllen, unbeeindruckt von seinen Wünschen, unabhängig von seiner bewussten Kontrolle.
    »Darf ich rauskommen?«
    Der Junge stand in der Tür. Geiger atmete den Rauch aus, und das Gesicht seines Vaters verwehte.
    »Nein«, sagte er. »Bleib drin.«
    Geiger wusste, die äußere Welt würde weiter durch die Risse einsickern; die Vergangenheit würde die Gegenwart überwältigen und immer mehr Besitz von ihr ergreifen. Er spürte, wie sein Puls hämmerte, immer stärker und schneller: Blut und Organe als Hammer und Amboss. Geiger begann in seinem einzigartigen Gang den Hof abzuschreiten, und seine Finger tanzten an seinen Seiten eine Gigue.
    »He«, sagte Ezra. »Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen?«
    »Geiger.«
    »Wie der Zähler?«
    »Ja. Wie der Zähler. Sei jetzt still. Ich muss über ein paar Dinge nachdenken.«
    Geiger zog noch einmal an der Zigarette; dann ließ er sie fallen und beobachtete, wie das letzte Rauchwölkchen des Stummels nach Süden wehte. Am liebsten hätte er sich gleich die nächste Kippe angezündet.
    ***
     
    Harry presste den Hörer des Münztelefons fest an sein Ohr, damit er im Lärm des Waschsalons die elektronische Stimme des Anrufbeantworters überhaupt hören könnte. Mit der anderen Hand hielt er Lily, die in dem Durcheinander des konkurrierenden Rumpelns der Waschmaschinen und Trockner einen zentralen Beat gefunden zu haben schien und sich leicht dazu wiegte. Noch immer spürte er im Arm und in der Hand, wie er die Beretta in Rays Gesicht geschmettert und wie

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