Der Spiegel der Königin
– und dazu noch mit Personen, denen du nicht gewachsen bist. Bevor man in den Kampf zieht, sollte man sorgfältig die Waffe wählen, statt sich die erstbeste Mistgabel zu schnappen.«
»Sie waren es doch, die mich auf den Kampfplatz g e zerrt hat«, gab Elin zurück. Kristinas Mundwinkel zuc k ten, und plötzlich brach sie in Gelächter aus. Sie lachte so sehr, dass sie sich verschluckte und husten musste.
»Guter Gott, Elin«, sagte sie schließlich atemlos. »J e manden wie dich könnte Karl wirklich auf dem Feld g e brauchen. Woher hast du nur diesen Trotzkopf?«
»Leute wie ich brauchen besonders harte Schädel«, erwiderte Elin ernst.
Kristina winkte ab.
»Bilde dir nur nichts auf dein Elend ein. Und den ju n gen Marquis sieh als Lektion: Du wirst im Leben viele Feinde haben – und jeder davon lehrt dich, mit zukünft i gen Widrigkeiten besser fertig zu werden. Er ist der Stein, an dem du lernen kannst, deinen Säbel zu schä r fen.« Sie lachte wieder und strahlte Elin an. »Im Grunde war es ein großartiger Auftritt bei Tisch! Alle glauben, dass du bei mir in Ungnade gefallen bist. Niemand würde auch nur vermuten, dass ich dir jetzt noch traue.«
Vielleicht war es die Tatsache, dass die Königin in dem einfachen Gewand und vor den Ziegelmauern wie eine ganz gewöhnliche Frau wirkte, vielleicht machte Elins Enttäuschung sie auch nur gleichgültig, jedenfalls lachte Elin nicht, sondern verschränkte die Arme.
»Wer sagt, dass ich Ihnen noch vertraue?« Kristinas Lachen erstarb. Elin schluckte und sprach weiter. »Vo r her haben Sie mir verboten, mich mit Ihnen zu vergle i chen, jetzt vergleichen Sie mein Elend mit Ihrem Glanz. Ich … bitte um die Erlaubnis, das Schloss verlassen zu dürfen.«
Kristinas Augen wurden schmal.
»Auf keinen Fall. Wenn ich nicht auf dein Vertrauen zählen kann, tut es mir Leid. Dann werde ich dich eben an deinen Schwur erinnern müssen. Oder bedeutet ein Hurenkind zu sein, keine Ehre zu haben?«
Das hatte gesessen! Elin reckte das Kinn in die Höhe und rang um Fassung.
»Sie können leicht spotten, Majestät«, sagte sie leise. »Sie sind von hoher Geburt und wissen, wer Ihre Eltern sind. Ich kenne meinen Vater nur vom Namen und meine Mutter gar nicht.«
»Sei froh darum«, erwiderte Kristina bitter. Dann seufzte sie und ihr Gesicht wurde weicher.
»Ich wollte dich nicht beleidigen, Elin. Und auch die Worte an der Tafel sind eher zur Täuschung als aus ec h tem Ärger gesprochen worden. Lerne von mir! Manc h mal sind solche Listen nötig!«
»Haben Sie noch mehr Befehle für mich?«, entgegnete Elin frostig.
»Ja, die habe ich. Schlag das Buch auf!«
Elin blickte auf den Ledereinband. Immer noch hielt sie die Kostbarkeit fest umklammert, als fürchtete sie, das Buch könne ihr aus der Hand springen und davonfla t tern. Behutsam lockerte sie den Griff und klappte das Buch mit einem ungeschickten Handgriff auf. Die Seiten fielen auseinander, niedergedrückt von etwas, das schw e rer war und in der Mitte des Buches steckte. Ein Brief.
»Es ist so weit«, sagte Kristina.
»Ich soll einen Brief überbringen?«, flüsterte Elin. »Muss ich etwa nach Deutschland? Zu Pferd? Ich kann noch nicht reiten!« Kristina lächelte nicht mehr und Elin fiel auf, wie dunkel die Schatten unter ihren Augen w a ren.
»Nein. Du wirst zu Fuß gehen – und zwar hier in Stockholm. In letzter Zeit werden Briefe abgefangen, die von höchster Wichtigkeit sind. Nun habe ich beschlo s sen, den Verrätern ein Schnippchen zu schlagen. Ich brauche jemanden, der sich i m Volk bewegen kann, ohne aufzufallen. Jemanden, auf den ich mich verlassen kann und der klug genug ist, einen Brief so gut zu behüten, als wäre er ein kostbares Schmuckstück oder vielleicht sogar ein Leben.«
»Darf ich … danach das Schloss verlassen?«
Die Königin schüttelte den Kopf und seufzte.
»Auf welchem Schlachtfeld wurde dein Vater get ö tet?«
»Bei Nördlingen.«
»Meiner fiel in Lützen, als ich fünf Jahre alt war. Man fand ihn ohne Kleidung, nur noch mit seinen Strümpfen und seinen drei Unterhemden bekleidet. Ein Krieg macht die Menschen zu Bestien. Ich schlage dir einen Handel vor, Elin. Hilf mir, diesen Krieg zu beenden. Ich kann jeden Vertrauten brauchen, der mir Treue schwört. S o bald der Krieg vorbei ist, verspreche ich dir, dass du g e hen kannst, wohin du willst. Wenn du mir bis dahin dienst, mit deinem ganzen Herzen, deinem Mut und de i ner Klugheit, dann werde ich dich belohnen. Und glaube
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