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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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und dem Kanzler gefallen hä t te.«
    Sie gingen von Bild zu Bild, blieben vor jedem Kunstwerk stehen und bewunderten die Formen und die Farben, die Leiber der Götter und die biblischen Gesta l ten, die Landschaften und Stillleben. Noch nie hatte Elin so viele Farben auf einmal gesehen. »Um wirklich lebe n dig zu werden, brauchen sie das Licht des Südens«, flü s terte Kristina. »Wünschst du dir nicht manchmal dort zu sein, Elin ? In Venedig vielleicht ? In Rom oder in Fl o renz?« Elin wandte den Blick von einem Götterhain und sah die Königin an.
    »Ja«, erwiderte sie. »Natürlich! Wer wünscht sich das nicht, mit Ausnahme von Lovisa vielleicht.«
    »Wer weiß, was die Zukunft bringt«, sagte Kristina geheimnisvoll. »Heute jedenfalls sind wir im Süden! Heute bin ich nicht die Königin, nicht die Minerva des Nordens und nicht die Tochter des Löwen aus der Mi t ternacht. Heute bin ich nur Kristina! Und heute Nacht nennst du mich nicht › Sie ‹ , sondern › du ‹ .«
    »Auf Kristina, die Sonne!«, sagte Ebba feierlich. Sie schritt zum großen Tisch und schenkte Wein in die Gl ä ser ein. Elin nahm mit einem Lächeln eines davon und prostete Kristina zu. Der Wein schmeckte süß und herb zugleich, er legte sich wie Öl auf ihre Zunge und füllte ihre Nase mit dem herben Duft von Trauben und Gewü r zen, die sie nicht kannte. Noch nie hatte sie so etwas Köstliches getrunken. Nach einer Weile begannen die Götter auf den Bildern zu lächeln. In dieser Nacht war das Leben am Hof so, wie Emilia es Elin vor fast zwei Jahren beschrieben hatte. Kristina und Ebba tanzten, sie schmückten sich mit den Prager Juwelen und tranken die Farben ebenso begierig wie den Wein. Weit nach Mitte r nacht streckte sich Ebba auf den Seidenkissen einer Sit z bank aus und schlief ein – das Haar offen, sodass es bis zum Boden fiel, das leere Weinglas in der Hand. Kristina setzte sich neben sie und strich ihr behutsam über die Stirn. Elin saß auf dem Boden und betrachtete die beiden Frauen. Die Königin und ihre Hofdame wirkten wie ein Gemälde, eine Szene von großer Vertrautheit.
    »Sie … du … liebst sie, nicht wahr?«
    Überrascht blickte Kristina auf und lächelte.
    »Natürlich«, erwiderte sie. »Sieh sie dir an – wer sollte Belle nicht lieben?«
    »Dann wird … Fräulein Ebba auch nicht heiraten?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich kenne Beiles Pläne nicht.« Sie musterte Elin mit scharfem Blick. »Was willst du wirklich wissen? Heraus damit!«
    »Ich … es ist nur, Lovisa will mich verheiraten und ich will nicht. Ich weiß nicht, ob ich jemals heirate. Wenn, dann viel l eicht Hampus – aber ich weiß nicht, ob ich ihn liebe. Ich würde gerne so leben wie du. Aber … du hast Frä u lein Ebba geküsst … und die Leute erzählen sich …«
    »Dass ich Frauen liebe ? « Kristina musste sich die Hand vor den Mund schlagen, um nicht laut loszul a chen. »Oder hast du die dummen Gerüchte gehört, die erzä h len, dass man mich im Ausland für einen Mann hält?«
    In ihre Heiterkeit mischte sich nun Ärger. Wenn diese Spannung in der Luft lag, konnte die launische Königin auf alle Arten reagieren – in Spott verfallen, einen Wu t anfall bekommen oder ganz nüchtern auf die Frage an t worten. Heute tat sie nichts von alledem. Stattdessen stand sie vorsichtig auf, um Ebba nicht zu wecken, und setzte sich neben Elin auf den blanken Boden.
    »Mann oder Frau – spielt das eine Rolle?«, sagte sie. »Bin ich etwas anderes, nur weil die anderen mich anders nennen ? «
    Im Licht der Kerzenflammen leuchteten Kristinas A u gen in einem tiefen Blau. Ihr Lächeln war so schön wie das von Ebba. »Ich zeige dir etwas, Elin. Wirst du mir vertrauen?« Elin schwieg. Sie behielt es für sich, dass Kristina der einzige Mensch war, dem sie ganz und gar vertraute, und nickte nur stumm. »Dann schließe die A u gen und gib dir die Antwort auf deine Frage selbst«, sa g te Kristina sanft.
    Elins Herz klopfte bis zum Hals. Die Augen zu schli e ßen war eine schwierigere Aufgabe, als Enhörning zu reiten, und erforderte mehr Mut, als Oxenstierna und se i nen Anhängern zu begegnen. Die Dunkelheit hüllte sie ein, nur dunkelrote Schemen leuchteten hinter ihren g e schlossenen Lidern. Noch nie hatte sie sich so schutzlos hingegeben.
    »Ich denke, wir sind alle Gottes Geschöpfe«, flüsterte Kristina. »Ob wir nun katholisch sind oder protesta n tisch, ob Mann oder Frau – die Grenzen existieren nur, solange wir sie

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