Der Spion der mich liebte
geschossen hätte. »Das ist eine Smith-and-Wesson. Eine sehr gute Waffe. Denken Sie daran, niedrig zu zielen.« Er zeigte es mir. »Und versuchen Sie, den Hahn langsam zurückzuziehen, nicht ruckartig. Wenn ich einen Schuß höre, bin ich da. Sie sind jetzt völlig sicher. Die Fenster sind stabil, man kann auch nicht eindringen, wenn man eine Scheibe zerschlägt.« Er lächelte. »Auf Motelarchitekten kann man sich verlassen. Die wissen alles, was man über Einbrüche wissen kann. Die beiden Gangster werden im Dunkeln nicht durch das Fenster auf Sie schießen, aber lassen Sie Ihr Bett trotzdem lieber so, wie es ist, und bereiten Sie sich auf dem Boden in einer Ecke ein Behelfslager. Stecken Sie den
Revolver unter Ihr Kopfkissen. Schieben Sie den Tisch vor die Tür und stellen Sie den Fernsehapparat so weit wie möglich an den Rand, damit er gleich herunterfällt, wenn jemand die Tür aufdrückt. Davon werden Sie aufwachen. Dann feuern Sie einfach eine Kugel durch die Tür. Schießen Sie auf einen Punkt in der Nähe der Klinke, damit Sie den Kerl treffen. Haben Sie alles verstanden?« Ich sagte leise ja und wünschte, er würde bei mir im Zimmer bleiben. Doch ich hatte nicht den Mut, ihn darum zu bitten. Er schien seine eigenen Pläne zu haben.
Er trat zu mir und küßte mich sanft auf den Mund. Ich war so überrascht, daß ich stocksteif dastand. »Tut mir leid, Viv«, meinte er leichthin, »aber du bist ein bezauberndes Mädchen. In dem Overall siehst du aus, wie der hübscheste Tankwart, den ich je kennengelernt habe. Mach dir jetzt keine Sorgen mehr. Ich passe auf dich auf.«
Ich warf meine Arme um seinen Hals und küßte ihn wieder, mitten auf die Lippen. »Du bist der wunderbarste Mann, den ich in meinem Leben getroffen habe«, versicherte ich. »Ich bin so froh, daß du da bist. Bitte, James, sei vorsichtig. Du hast sie noch nicht so erlebt wie ich. Sie sind gefährlich und gemein.«
Er küßte mich noch einmal und strich mir über das Haar. »Sei unbesorgt«, sagte er. »Ich habe schon früher mit Leuten dieses Schlages zu tun gehabt. Tue nur alles, was ich dir gesagt habe, und schlaf schön. Gute Nacht, Viv.« Und dann war er verschwunden.
Einen Augenblick stand ich wie betäubt da und starrte auf die geschlossene Tür. Dann putzte ich mir die Zähne und wusch mich. Ich betrachtete mich im Spiegel. Ich sah einfach scheußlich aus - erschöpft, ohne Schminke, mit tiefen Ringen unter den Augen. Was für ein Tag! Ich durfte ihn nicht mehr verlieren. Doch mein Gefühl sagte mir, daß ich nicht über ihn bestimmen konnte. Er würde allein seinen Weg gehen, und ich mußte meinen Weg allein weitergehen. Keine Frau hatte diesen Mann halten können. Keiner würde es je gelingen. Er war ein einsamer Mensch, ein Mann, der sein Herz für sich selbst bewahrte. Ich seufzte. Na schön. Damit mußte ich mich eben abfinden. Ich würde ihn ziehenlassen. Ich würde nicht weinen, wenn er ging. War ich nicht das Mädchen, das beschlossen hatte, sein Herz zu verleugnen? Alberne, verliebte Gans! Das war gerade der richtige Augenblick, zu jammern wie eine liebeskranke Katze! Ich schüttelte ärgerlich den Kopf, kehrte ins Zimmer zurück und traf alle Vorbereitungen für die Nacht.
Der Wind war noch immer recht stürmisch, und die Fichten draußen ächzten. Das Mondlicht stahl sich zwischen den dunklen Wolken hindurch und legte einen bleichen Schimmer auf die dünnen rotgemusterten Vorhänge.
Als der Mond hinter den Wolken verschwand, blieb nur noch der gelbe Schein der Petroleumlampe, der den langgestreckten Raum gar nicht ausleuchten konnte. Die Ecken lagen im Dunkeln, und das Zimmer schien auf einen Regisseur zu warten, der die Statisten aus dem Schatten hervorwinkte, um ihnen zu sagen, was sie tun sollten.
Ich bemühte mich, nicht ängstlich zu werden. Ich legte mein Ohr lauschend an die Wände, doch die Zimmer waren so aneinandergefügt, daß sich zwischen ihnen jeweils eine breite Nische befand, die als eine Art überdachte Garage für die Fahrzeuge benutzt werden konnte. Ich hörte also nichts, als ich lauschte. Ehe ich mich verbarrikadiert hatte, war ich noch einmal hinausgegangen und hatte mich umgesehen. Durch die Vorhänge der Fenster von Nr. 8 und 10, ebenso von Nr. 40, dem Zimmer, das James Bond bewohnte, war schwaches Licht gedrungen. Alles war friedlich gewesen und ruhig. Jetzt stand ich mitten im Zimmer und blickte mich ein letztes Mal um. Ich hatte alles getan, was er mir geraten hatte. Dann kniete ich mich
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