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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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vor unerfreulichen Realitäten die Augen zu verschließen.«
    »Hat man Ihnen irgendwann einmal Gewalt angetan?« fragte er sehr leise.
    »Nein.«
    Er starrte in seinen Becher. »Das ist gut. Ich habe die Ergebnisse gesehen. Das ist etwas, was ich keiner Frau wünsche.« Seine Stimme klang so düster, wie seine Miene aussah.
    Unbehaglich rutschte Maxie hin und her. Sie hatte ihn verblüffen, aber keine bösen Erinnerungen wecken wollen. In anderer Hinsicht beruhigten sie seine Worte: Was auch geschah, sie brauchte nie zu befürchten, daß er über sie herfiel.
    Um die Stimmung aufzuheitern, zog sie ihre Mundharmonika aus der Jackentasche und begann zu spielen. Robins Gesicht entspannte sich, und er ließ sich mit im Nacken verschränkten Händen ins Farnkraut fallen.
    Während sie die getragene Melodie einer Frontierballade spielte, studierte Maxie ihren Reisebegleiter. Seine Sprache und sein Benehmen wiesen ihn als Privilegierten aus. Was hatte ihn in die Welt der Normalsterblichen verschlagen, die um ihre Existenz kämpfen mußten? Die Vergehen ihres Vaters waren die üblichen Jugendsünden gewesen: Glücksspiele und Frauen, aber an Robin war etwas, was sie bezweifeln ließ, daß sein Sturz nicht mit konventionellen Lastern zusammenhing.
    Die flackernden Flammen vergoldeten sein blondes Haar, und sein Profil war ebenso unnahbar wie makellos. Vielleicht war er gar nicht wegen irgendwelcher Untugenden ausgestoßen worden, sondern kam aus einer Familie, die das Glück verlassen hatte. Oder vielleicht war er von illegitimer Geburt, mit bestimmten Privilegien aufgewachsen, dann aber in die Welt hinausgestoßen worden, um auf eigenen Beinen zu stehen. Vermutlich würde sie die Wahrheit über ihn nie erfahren.
    Ihre Melodien wechselten zwischen traditionellen Balladen und den Klängen berühmter europäischer Komponisten. Schließlich, als aus den züngelnden Flammen ruhigere Glut geworden war, ging sie zu der Musik der Irokesen über. Die ersten Klänge, die sie je gehört hatte, waren die Wiegenlieder ihrer Mutter gewesen. Später hatte sie auch viele der zeremoniellen Melodien und Arbeitslieder der Mohikaner gelernt.
    Maxie hatte angenommen, daß Robin
    eingeschlafen war, aber als sich die Melodien und Rhythmen veränderten, wandte er den Kopf in ihre Richtung. Sein Augenausdruck war unergründlich. Sie spielte noch eine Weile weiter, steckte dann die Mundharmonika wieder ein und zog ihren Umhang aus ihrem Reisesack.
    »Gute Nacht.« Robins Stimme war kaum lauter als der Wind in den Gräsern. »Vielen Dank für das Konzert.«
    »Gern geschehen.« Als sich Maxie in ihren Umhang hüllte und es sich auf dem Farnkraut bequem machte, gestand sie sich insgeheim ein, daß sie in seiner Nähe ruhiger schlafen würde.
    Ein seltsames Geräusch ließ Maxie aus dem Schlaf hochfahren. Ihre Hand fuhr zum Messer. Zunächst dachte sie, die ächzenden Laute würden von einem Tier verursacht. Aber als sie sich wiederholten, erkannte sie, daß sie vom anderen Lager kamen.
    Hatte Robin vielleicht irgendwelche Atembeschwerden? Sie stand auf, ging um die Feuerstelle herum und kniete sich neben ihn. Im Sternenlicht war sein Gesicht sehr bleich, sein Atem ging in flachen Stößen, und er wälzte sich auf dem Farn hin und her.
    Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Robin?«
    Unter ihren Fingern verspannten sich seine Muskeln. Das Ächzen hörte auf, seine Lider öffneten sich. »Hatte ich einen Alptraum?« fragte er heiser.
    »Ich glaube ja. Können Sie sich an ihn erinnern?«
    »Nicht genau. Könnte alles Mögliche gewesen sein.« Rasselnd holte er Luft. »Die Folgen eines schlechten Gewissens.«
    »Haben Sie häufiger Alpträume?«
    »Nicht unbedingt häufig, aber regelmäßig.« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
    »Verzeihen Sie, daß ich Sie geweckt habe.«
    Maxie wollte gerade etwas sagen, als sie die Feuchtigkeit auf seinen Wangen bemerkte. Kein Wunder, daß er sich so verzweifelt um Nonchalance bemühte. Sie legte ihre Hand auf seine, die neben ihrem Knie im Farn ruhte. »Kein Problem. Ich werde leicht wach.« Seine Finger waren kalt, und sie nahm an, daß das nicht an der Nachtkühle lag. »Besser von Ihnen geweckt zu werden als von einem ausgehungerten Wolf.«
    »In dieser Gegend sind Schafe sehr viel häufiger als Wölfe.« Er drückte kurz ihre Hand. »Dennoch zweifle ich keine Sekunde lang an Ihren Fähigkeiten, mein unwürdiges Ich vor allen Gefahren der Wildnis zu beschützen.«
    »Und ich zweifle nicht daran,

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