Der Spion und die Lady
Ausreißerin aus guter Familie erkannt hatte. »Erzählen Sie mir ein wenig mehr über diesen Lord Robert.«
Ein erregter Frauenchor erläuterte, daß es sich bei Lord Robert um den jüngeren Bruder des Marquis von Wolverhampton handelte, der während der Kriege heikle und gefährliche Dinge getan hatte, der aussah wie ein gefallener Engel, aber im Hinblick auf Ladies ein wahrer Teufel war. Der Eifer, mit dem die Dorfbewohner seine Heldentaten schilderten, zeigte deutlich, wie stolz sie auf das schwarze Schaf in ihrer Mitte waren.
Selbst wenn nur die Hälfte der Geschichten stimmte, war das Resultat höchst
besorgniserregend. Lord und Lady Collingwood hatten keinen Zweifel an Maximas! Schönheit gelassen, die offenbar genau von der Art war, die die unerwünschte Aufmerksamkeit von Schwerenötern erregte. Es sah ganz so aus, als hätte der zügellose Lord Robert die Verkleidung des Mädchens durchschaut und es in unlauterer Absicht gezwungen, ihn zu begleiten.
»Wie kommt man nach Wolverhampton?«
erkundigte sich Desdemona mit grimmiger Miene.
Nachdem ihr die Richtung beschrieben worden war, griff sie in ihren Ridikül, holte eine goldene Guinee heraus und legte sie auf den Tresen.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe, werte Ladies. Heute nachmittag trinken Sie Ihr Ale auf meine Kosten.«
Desdemona marschierte hinaus zu ihrer wartenden Kutsche und ignorierte die guten Wünsche für ihre ewige Gesundheit. Sie überlegte fieberhaft, was sie mit einem Aristokraten machen sollte, der ein unschuldiges junges Mädchen ins Verderben stürzen wollte.
Kapitel 5
DER MARQUIS OF Wolverhampton wollte den Nachmittag nutzen, um seine Korrespondenz zu beantworten. Nachdem sein Sekretär Charles ihm einen Brief vorgelesen hatte, würde er ihm die Antwort diktieren und dann zum nächsten übergehen. Alles wie üblich, absolut normal.
Die Normalität wurde jedoch erschüttert, als eine erzürnte Amazone in die Bibliothek gestürmt kam.
»Es interessiert mich nicht, wie beschäftigt der Marquis ist«, fauchte sie, als sie die Schwelle überschritt. »Er wird mich empfangen. Und zwar jetzt!«
Hinter ihr tauchte ein hochroter Diener auf.
»Verzeihen Sie, Euer Lordschaft. Lady ROSS
bestand darauf, Sie unverzüglich zu sehen. Es geht um Lord Robert.«
Giles blickte auf. Vor drei Tagen war Robin verschwunden. Obwohl er ihm geraten hatte, sich keine Sorgen über eine mögliche plötzliche Abwesenheit zu machen, war es doch nicht leicht, völlig unbeteiligt zu bleiben.
Lady ROSS stürmte auf ihn zu wie ein Schlachtschiff unter vollen Segeln. Ihr Umhang bauschte sich, ihr Schirm war drohend gezückt.
Giles erhob sich höflich und fragte sich verzweifelt, was sie mit Robin zu tun haben könnte. »Ich bin Wolverhampton. Sie bringen Neuigkeiten von meinen Bruder?«
»Also wissen auch Sie nicht, wo er sich aufhält«, grollte Lady ROSS.
»Er ist seit einigen Tagen abwesend, und ich bin mir nicht sicher, wann er zurückkommt«, erwiderte Giles und versuchte, sich an das zu erinnern, was er über Lady ROSS gehört hatte. Der Name kam ihm bekannt vor, aber er wußte nicht, in welchem Zusammenhang. »Was haben Sie mit ihm zu schaffen?«
»Es geht weniger darum, was ich mit ihm zu schaffen habe, sondern vielmehr um das, was er meiner Nichte angetan hat.« Die Lady funkelte den Marquis an. »Alle Anzeichen deuten daraufhin, daß Ihr Bruder sie entführt hat.«
»Wie können Sie so etwas behaupten?« Giles’
Kinn schob sich bedrohlich vor. »Wer wagt es, derartige Verleumdungen zu verbreiten?«
Die Spitze ihres Schirms zitterte wie der Schwanz einer wütenden Katze. »Einige Dorfbewohner haben gesehen, daß Lord Robert eine junge Person dazu gezwungen hat, mit ihm zu kommen.
Der Beschreibung nach handelt es sich um meine Nichte Maxima Collins, eine junge Amerikanerin.«
Der Marquis fixierte seine Besucherin mit eisigem Blick. »Wie und wann ist dieses Mädchen abhanden gekommen? Ich vermag nicht zu glauben, daß mein Bruder ein unschuldiges Mädchen ihrer Familie entführt.«
Unbehaglich wandte Lady ROSS den Blick ab. »Die exakten Umstände sind mir nicht bekannt.
Maxima hat bei meinem Bruder Lord Collingwood gewohnt. Ihr Vater ist kurz nach ihrer Ankunft in England gestorben, und das Mädchen war verzweifelt. Vor einer Woche hat sie Collingwoods Haus überraschend verlassen und auf einem Zettel mitgeteilt, sie wolle zu mir nach London.
Aber da war ich bereits auf dem Weg nach Durham, um sie zu besuchen. Seit ihrem Verschwinden
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