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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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suche ich nach ihr.« Sie kniff die grauen Augen zusammen. »Vor drei Tagen beobachteten Dorfbewohner Lord Robert mit seinem unwilligen Begleiter.«
    Giles’ Miene war ausdruckslos, aber innerlich stöhnte er auf. Robin würde zwar nie ein unschuldiges Mädchen entführen, aber wie sähe die Sache aus, wenn das »Opfer« jung und nicht unbedingt unwillig war? »Wie alt ist Ihre Nichte?«
    Lady ROSS zögerte einen Moment mit der Antwort.
    »Fünfundzwanzig.«
    »Fünfundzwanzig! Ihrer Empörung glaubte ich entnehmen zu können, es handele sich um ein fünfzehn-oder sechzehnjähriges Mädchen. Ihre Nichte ist kaum eine blutjunge Unschuld. In ihrem Alter sind die meisten Frauen bereits Ehefrauen und Mütter. Wenn sie mit meinem Bruder gegangen ist, dann muß das freiwillig geschehen sein.«
    »Maxima ist erst seit vier Monaten in England und fast unmittelbar nach der Ankunft hier verwaist«, grollte Lady ROSS. »Sie ist ganz allein in einem fremden Land. Ein Mann, der das ausnutzt, handelt absolut schändlich.«
    Giles rang um Beherrschung. »Wir verfügen über keinerlei Beweise dafür, daß sich das von Ihnen Vermutete ereignet hat.«
    »Und wo ist meine Nichte, wenn Lord Robert sie nicht entführt hat?« wollte Desdemona wissen.
    »Vorhin gaben Sie mir zu verstehen, daß Sie über seinen Verbleib nichts wissen. Den Dorfbewohnern zufolge steht er in dem Ruf, ein Lebemann zu sein – genau die Art Mann, der ein junges Mädchen verführen könnte.«
    »Unsinn«, zischte Giles. »Robin hat lange Jahre außerhalb Englands verbracht. Und in den sechs Monaten seit seiner Rückkehr hat er hier sehr zurückhaltend gelebt und keineswegs Ladies reihenweise umgemäht.«
    »Die Dorfbewohner scheinen anderer Ansicht zu sein.«
    Der Marquis holte tief Luft. »Sie haben keinerlei Beweise dafür, daß sich mein Bruder etwas zuschulden hat kommen lassen. Auch wenn ich volles Verständnis für Ihre Sorgen habe, rate ich Ihnen doch, keine grundlosen Beschuldigungen gegen meinen Bruder zu erheben. Guten Tag, Lady ROSS. Mein Diener wird Sie
    hinausbegleiten.« Damit setzte sich Giles und wandte sich betont seiner Korrespondenz zu.
    Er ging davon aus, daß sich seine Besucherin mit ihrer Verabschiedung abfand, aber statt dessen schrie der Diener entsetzt auf, und der Marquis nahm aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr.
    Er hob den Kopf gerade rechtzeitig, um Lady ROSS’ Schirm auf sich zuschießen zu sehen. Bevor er sich rühren konnte, landete er vor ihm auf dem Schreibtisch, verfehlte sein Gesicht nur um wenige Zentimeter und ließ Papiere zu Boden flattern.
    »Glauben Sie ja nicht, Sie könnten mich entlassen wie einen Ihrer Lakaien, Wolverhampton!«
    fauchte Lady ROSS. »Ich kenne Ihren Ruf. Anstatt an Parlamentssitzungen teilzunehmen, hocken Sie hier in Yorkshire wie eine Kröte und ignorieren ihre Verantwortung. Bei dem Beispiel, das Sie geben, ist es kaum verwunderlich, daß Ihr Bruder ein Halunke geworden ist.« Ihre vollen Lippen verzogen sich verächtlich. »Obwohl es vermutlich sogar positiv ist, daß Sie Ihren Sitz im House of Lords nicht in Anspruch nehmen. Zweifellos würden Ihre Ansichten Attila den Hunnen geradezu barmherzig erscheinen lassen.«
    Noch nie in seinem Leben war Giles einer Frau gegenüber grob geworden, aber die wenigen Minuten mit Lady ROSS änderten das. Er sprang auf, beugte sich vor und stützte die Fäuste auf die Schreibtischplatte. »Ich nehme an
    Parlamentssitzungen teil, sobald ein wirklich wichtiges Thema zur Debatte steht, aber meine Hauptverantwortung liegt hier. Es gibt keinen besseren Dünger für das Land als den Fuß des Eigentümers, und ich nutze meine Zeit besser, wenn ich hier meinen Besitz verwalte, anstatt in London Pharao zu spielen und Intrigen zu spinnen.«
    In der verspäteten Erkenntnis, wie absurd sein Ausbruch war, fügte er gelassener hinzu: »Nicht, daß Sie das etwas anginge.«
    Lady ROSS ergriff ihren Schirm. Einen Augenblick lang nahm Giles an, sie wollte ihn wie einen Kricketschläger einsetzen.
    Aber statt dessen zischte sie durch ihre zusammengebissenen Zähne: »Ich muß mich entschuldigen. Ihre Ländereien sind als Beispiele für fortschrittliche Agrarwirtschaft berühmt. Ich hätte das nicht sagen dürfen.« Sie wirkte, als hätte sie diese Entschuldigung fast das Leben gekostet, fuhr aber tapfer fort: »Zweifellos hat Ihr Bruder sein schändliches Verhalten nicht von Ihnen.«

    So leicht war Giles nicht zu versöhnen. »Ich schlage vor, daß Sie gehen, bevor mich Ihre

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