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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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nie hätte überleben können.
    »Robin ist Einflüssen ausgesetzt gewesen, die sich von den Gepflogenheiten der englischen Gesellschaft unterscheiden, aber ich bin sicher, daß er sich niemals an einem unschuldigen Mädchen vergehen würde.«
    Lady ROSS wandte sich schulterzuckend ab. »Wir werden sehen. Ich werde nicht nachlassen, bis ich meine Nichte gefunden habe. Und falls Ihr Bruder ihr etwas angetan hat, dann gnade ihm Gott.«
    Als sie gegangen war, starrte Giles die geschlossene Tür lange Zeit an und hatte das Gefühl, als wäre der Kirchturm auf ihn herabgestürzt. Kein Mensch hatte ihn jemals so wütend gemacht, dennoch war er nicht besonders stolz auf die Art und Weise, in der er mit Lady ROSS gesprochen hatte.
    Kopfschüttelnd drehte er sich um. »Was halten Sie von dem allen, Charles?« fragte er seinen Sekretär, der die Szene in fasziniertem Schweigen verfolgt hatte.
    Der Mann zögerte einen Augenblick lang. »Ich glaube nicht, daß ich Lady ROSS gern zur Feindin hätte«, sagte er dann diplomatisch.
    »Sie meinen also, Robin könnte in Teufels Küche kommen, wenn er tatsächlich mit der Nichte der Lady herumtändelt?«
    Charles lächelte bekümmert. »Ich fürchte ja, Mylord.«
    Der Marquis versank in seinem tiefen Ledersessel und dachte nach. So unwahrscheinlich es klang: Die verschwundene Maxima mußte zu Fuß nach London unterwegs sein. Sonst wäre Lady ROSS
    nicht so sicher, daß sie, sich eine Woche nach ihrem Verschwinden aus Durham noch in Yorkshire aufhielt.
    An dem Tag, an dem auch er verschwand, wollte Robin eine Wanderung durch die Wälder im Westen unternehmen. Sie wurden von einer Straße durchquert, die in Richtung Durham – und umgekehrt – führte. Konnte Robin das Mädchen getroffen und aus dem Impuls heraus beschlossen haben, es nach London zu begleiten?
    Fast erleichtert machte sich Giles mit dieser Möglichkeit vertraut. Ein derart unüberlegtes Verhalten wäre nicht nur typisch für Robin, es spräche auch für seine Ehrenhaftigkeit. Aber wenn das Frauenzimmer fünfundzwanzig Jahre alt und nicht unwillig war, könnten die beiden sehr bald auf vertrauterem Fuß stehen, als es der Tante des Mädchens lieb war.
    Lady ROSS schien erregter, als es der Situation zukam. Vielleicht steckte mehr hinter der Geschichte, als sie bereit war zuzugeben. Aber vielleicht war es auch nur ihr Temperament, das sie durchgehen ließ wie eine gereizte Stute.
    Stirnrunzelnd zog der Marquis Bilanz. Robin war ebenso verschwunden wie Miss Collins. Angeblich hatte man sie zusammen gesehen. Es war nicht von der Hand zu weisen, daß sie gemeinsam auf dem Weg nach London waren.
    Lady ROSS verfolgte die Flüchtigen und schnaubte Rache. Und wenn sie die beiden aufspürte, wären die Konsequenzen mehr als unerfreulich. Ein Skandal würde dem Mädchen zwar mehr schaden als Robin, aber eine rachedurstige Lady ROSS
    könnte zu erregt sein, um das zu bedenken.
    Robin mochte die Aussicht auf einen Skandal kalt lassen – den Marquis keineswegs. Und das hieß, daß er sich gleichfalls an die Fersen der Ausreißer heften mußte. Mit ein bißchen Glück konnte er sie vor Lady ROSS finden und so die größte Katastrophe abwenden.
    Düster dachte Giles darüber nach, wie sehr er Reisen verabscheute. Lange Stunden in rumpelnden Kutschen, klammes Bettzeug und kaum genießbare Mahlzeiten. Und er verfügte noch nicht einmal über einen ordentlichen Kammerdiener, da der bisherige vor kurzem seinen Dienst verlassen hatte und noch nicht ersetzt worden war.
    Darüber hinaus würde er sich auf der Jagd nach einem amerikanischen Flittchen, einem Spion außer Diensten und einer hitzköpfigen Reformerin wie ein verdammter Idiot vorkommen.
    Während er diese Aussichten bedachte, machte sich der Marquis of Wolverhampton bewußt, daß er lächelte.

Kapitel 6
    MAXIE ZOG SICH den Hut gegen die Sonne in die Stirn und nutzte die Gelegenheit, einen verstohlenen Blick auf ihren Begleiter zu werfen.
    Und wieder verspürte sie diese Atemlosigkeit, die sie häufig überfiel, wenn sie Robin ansah. Er war zu gut aussehend, zu geheimnisvoll, um wahr zu sein.
    Geheimnisvoll, aber nicht unzugänglich. Im Gegenteil: Er war der einzige Mann, mit dem sie sich so unbeschwert unterhalten konnte wie mit ihrem Vater. Wenn Robin des Schweigens müde war, plauderte er überaus witzig über alle möglichen Themen: die Landschaft, das Wetter, die kürzliche bedauerliche kriegerische Auseinandersetzung zwischen ihren Ländern.
    Aber nie ließ er auch nur ein

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