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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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haltlosen Beschuldigungen vergessen lassen, daß ich ein Gentleman bin. Ich bedauere außerordentlich, daß Ihre Nichte verschwunden ist, aber es gibt nichts, womit ich Ihnen helfen könnte.«
    »Es war töricht von mir, irgendwelche Hilfsbereitschaft zu erwarten«, erklärte Lady ROSS
    verbittert. »Männer Ihres Schlages ruinieren ein Mädchen so beiläufig, wie sie eine Krawatte ablegen. Ich bin in der Hoffnung gekommen, daß Lord Robert die Schutzbedürftigkeit meiner Nichte erkannt und sie als Gentleman zu ihrer Familie zurückgebracht hat. Statt dessen hat er sie gegen ihren Willen entführt, und Sie decken sein verbrecherisches Verhalten auch noch. Aber Maxima ist nicht schutzlos. Ich schwöre Ihnen, wenn Lord Robert ihr oder ihrem Ruf ein Leid zugefügt hat, wird er dafür teuer bezahlen.«
    Giles kam eine finstere Erkenntnis. »Also darum geht es! Ihre Nichte war darauf aus, Lord Robert zu verführen. Und dann kamen Sie zu mir, um mir vorzuweinen, daß sie eine verführte Unschuld sei, der Gerechtigkeit widerfahren müsse. In der Hoffnung, ich würde meinen Bruder dazu veranlassen, sie zu heiraten. Nun, Ihre Rechnung wird nicht aufgehen, Madam. Weder bei meinem Brader noch bei mir. Wenn er mit ihr auf und davon ist, dann mit ihrem Einverständnis.« Erneut beugte er sich über den Schreibtisch. »Hören Sie gut zu, Lady ROSS. Ich versichere Ihnen höchstpersönlich, daß mein Bruder nie ein hergelaufenes Frauenzimmer heiraten würde, das ihn in die Falle locken will.«
    Wäre Lady ROSS’ Schirm ein Schwert gewesen, wäre es zum Mord gekommen. »Seien Sie versichert«, rief sie mit blitzenden grauen Augen,
    »daß es nicht in meiner Absicht liegt, das Mädchen zu einer Heirat mit einem degenerierten Wüstling zu zwingen. Es ist jedoch meine erklärte Absicht, Ihren Bruder hinter den Gittern von Newgate zu sehen. Vergessen Sie nicht, Wolverhampton, Entführung ist ein
    Kapitalverbrechen. Glauben Sie nicht, Sie könnten ihn mit Ihren Beziehungen freikaufen. Ich bin auch nicht ohne Einfluß. Falls ein Verbrechen geschehen ist, werde ich Lord Robert vor Gericht bringen.«
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte auf die Tür zu. Als sie die Schwelle erreicht hatte, fiel dem Marquis endlich ein, wer sie war: eine überzeugte Reformerin, die sich der Unterstützung prominenter Politiker in beiden Parteien erfreute. Sie war Giles dem Hörensagen nach seit Jahren bekannt, und er hatte sie für sehr viel älter gehalten. Aber in Wahrheit war die berühmte und leidenschaftliche Reformerin etliche Jahre jünger als er selbst, wahrscheinlich noch nicht einmal dreißig.
    Herr im Himmel, sie könnte tatsächlich über genügend Einfluß verfügen, um den Andrevilles beträchtliche Schwierigkeiten zu machen, selbst wenn Robin nicht Ungesetzliches getan hatte.
    »Lady ROSS, einen Augenblick bitte.«
    Sie drehte sich um. »Ja?«
    Giles durchquerte den Raum und erklärte in seinem versöhnlichsten Tonfall: »Wir sollten uns nicht zu Unbeherrschtheiten hinreißen lassen.
    Selbstverständlich sorgen Sie sich um Ihre Nichte.
    Dennoch bin ich davon überzeugt, daß Sie einen Fehler begehen. Es geht doch ” vor allem darum, das Mädchen wiederzufinden, und ich bezweifle, daß es sich bei meinem Bruder aufhält. Es mag durchaus Männer geben, deren Verhalten Frauen gegenüber verwerflich ist, aber Robin ist keiner von ihnen.«
    Ihre kastanienbraunen Brauen stiegen in die Höhe. »Sind Sie davon absolut überzeugt?«
    Giles wollte das bestätigen, zögerte dann aber.
    »Wovon im Leben kann man schon absolut überzeugt sein?«
    »Keine besonders überzeugende Ehrenerklärung für Lord Robert«, bemerkte sie trocken.
    »Ich vertraue ihm wie mir selbst.«
    Lady ROSS’ Züge wurden nachgiebiger, und Giles glaubte schon, sie überzeugt zu haben. Dann schob sie das Kinn wieder trotzig vor. »Sie genießen den Ruf eines rechtschaffenen Mannes, und Ihre Loyalität gegenüber Ihrem Bruder ist bewundernswert. Bedauerlicherweise können sich Männer untereinander durchaus ehrenhaft verhalten, während sie sich nichts dabei denken, eine Frau ins Verderben zu stürzen. Woher wollen Sie eigentlich wissen, wozu Lord Robert fähig ist, wenn er so lange Jahre von England abwesend war?«
    Die verdammte Frau hatte recht. Gefühlsmäßig vertraute Giles seinem Bruder, machte sich aber gleichzeitig unbehaglich bewußt, daß Robin seine zwölfjährige Spionagetätigkeit im Herzen des napoleonischen Reichs ohne eine gewisse Rücksichtslosigkeit

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