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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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loyal verhielten.
    Aber wenigstens überlebt das Volk meiner Mutter mit seiner Würde und seinen Traditionen. Anders als die Eingeborenen von New England, die durch Krankheiten und Kriege buchstäblich ausgerottet wurden.«
    »Das ist keine besonders angenehme Geschichte«, meinte Robin leise. »Nach allem, was ich gelesen habe, waren die Indianer starke, gesunde und großzügige Menschen, als die ersten Europäer zu ihnen kamen. Sie schenkten uns Mais, Medikamente und die Möglichkeit zur Niederlassung. Wir schenkten ihnen Windpocken, Typhus, Masern, Cholera und der Himmel mag wissen, was sonst noch. Manchmal auch den Tod.« Er hielt kurz inne und fragte dann: »Hassen Sie uns eigentlich sehr?«
    Noch nie hatte sie jemand das gefragt oder den Zorn gespürt, den sie im Hinblick auf das Volk ihrer Mutter empfand. Merkwürdigerweise nahm Robins Sensibilität diesem Zorn etwas von seiner Schärfe. »Wie könnte ich das, ohne mich selbst zu hassen? Schließlich bin ich zur Hälfte englisch.
    Mehr als zur Hälfte, da ich weniger Zeit bei meinen mohikanischen Verwandten verbrachte.
    Sie haben mich übrigens liebevoller aufgenommen als meine englische Familie.«
    Sie erschauerte unter einer Kälte, die von innen kam. Selbst zum Stamm ihrer Mutter hatte sie nicht richtig dazugehört.
    Robin rückte näher und legte den Arm um sie.
    »Verwandte können wahre Teufel sein.«
    »Können sie denn nicht wenigstens gerecht sein?«
    Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter und langsam vertrieb seine Körperwärme ihr Gefühl innerer Kälte. Sie fühlte sich sehr wohl und geborgen in seinen Armen.
    »Meine Mutter war jung, unruhig und an der Welt außerhalb ihrer behüteten Umgebung interessiert.
    Trotz ihrer großen Unterschiede haben sich mein Vater und sie ineinander verliebt.«
    »Sie rebellierten beide gegen die Umstände, in die sie hineingeboren waren«, stellte Robin fest. »Das muß ein großes Bindeglied gewesen sein.«
    »Ich glaube, damit haben Sie recht. Als es Frühling wurde, bat Max sie, mit ihm zu kommen.
    Sie tat es, und ein Jahr später wurde ich geboren.
    Die meiste Zeit lebten wir in Massachusetts, besuchten aber jedes Jahr im Sommer den Stamm meiner Mutter, da sie wollte, daß ich mit Sprache und Gebräuchen ihres Volks vertraut werde.«
    »Hat Sie Ihr Vater begleitet?«
    »Ja, er kam hervorragend mit den Verwandten meiner Mutter aus. Die sogenannten Indianer sind sehr poetische Menschen. Sie lieben Geschichten, Spiele und lachen gern. Mein Vater zitierte fließend in Englisch, Französisch und Griechisch.
    Er sprach auch sehr gut Mohikanisch.« Sie lachte auf. »Mein Gott, wenn er einmal anfing, hörte er nicht wieder auf. Ich weiß noch, wie alle fasziniert an seinen Lippen hingen, als er die Odyssee zitierte. Jetzt, da ich sie selbst gelesen habe, weiß ich, daß er sie ziemlich frei übersetzt hat, aber dennoch war es eine hinreißende Geschichte.«
    Ihr Lächeln schwand. »Ich bekam zwei Geschwister, die aber bald nach der Geburt starben. Meine Mutter starb, als ich zehn Jahre alt war. Ihre Familie wollte mich bei sich aufnehmen, doch das lehnte mein Vater ab. Er hatte nie eine feste Arbeit gefunden, die ihm zusagte, daher wurde er nach Mamas Tod ein Hausierer für Bücher und nahm mich auf seine Reisen mit.«
    »Sie sind also ›unterwegs‹ aufgewachsen. Hat Ihnen das gefallen?«
    »Meistens.« Maxie drehte sich so, daß ihr Rücken an Robins Brust ruhte. »Bücher und Bildung werden in Amerika sehr geschätzt. Da viele der Farmen und Dörfer sehr einsam liegen, waren wir überall willkommen, wohin wir auch kamen.«
    Ihre Stimme wurde eintönig. »Zu willkommen mitunter. Die sozialen Gepflogenheiten der amerikanischen Ureinwohner unterscheiden sich sehr von denen in Europa, und unverheiratete Frauen genießen eine Freiheit, die gemessen an europäischen Maßstäben für Zügellosigkeit gehalten werden könnte. Und so gab es immer wieder Männer, die die Tugend eines Halbbluts auf die Probe stellten wollten.«
    Der Druck seiner Arme verstärkte sich. »Kein Wunder, daß Sie lernten, auf der Hut zu sein.«
    »Es war notwendig. Hätte ich Max davon erzählt, hätte er unter Umständen jemanden getötet.
    Oder wäre vielmehr selbst getötet worden. Er war ein Redner, kein Kämpfer.« Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Warum sollten Frauen vor der Heirat nicht die gleichen Rechte haben wie Männer? Aber die Wahl muß mir überlassen bleiben, nicht irgendeinem volltrunkenen Hinterwäldler, der sich mir

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