Der Spion und die Lady
hoffen, daß er sich den Hals gebrochen hat, als ihn die Mähre abwarf.«
Dem Marquis war noch nie ein Pferd unter die Augen gekommen, das seinen Bruder abwerfen konnte, eine so klapprige Schindmähre wie die da draußen schon gar nicht. Mit Sicherheit hatte Robin das Tier frei gelassen. Dem Schöpfer sei Dank, daß er die Latte seiner Vergehen nicht auch noch mit einem Pferdediebstahl bereichert hatte.
Das Pferd wurde eingefangen, hinten angebunden, und die Kutsche setzte ihre Fahrt in die nächste Stadt fort.
Dort setzte Giles Simmons auf dessen Wunsch vor einer mehr als schäbigen Herberge ab. Er selbst stieg im besten Gasthaus ab, das Workshop zu bieten hatte. Es konnte mit Wolverhampton natürlich bei weitem nicht mithalten, verfügte aber zumindest über saubere Bettwäsche.
Als er einschlummerte, träumte er weder von den Ausreißern noch von möglichen Skandalen, sondern von Lady ROSS, dieser wahrhaft erstaunlichen Amazone.
Simmons hatte in diesem Teil des Landes bereits gearbeitet und sich innerhalb von einer Stunde mit einer neuen Pistole sowie mehreren Männern versorgt, die ihn bei seiner Verfolgungsjagd unterstützen sollten.
Als er wenig später eine Scheibe rohes Fleisch gegen sein blaues Auge drückte und literweise einheimisches Ale schluckte, dachte er an den blonden Fatzke, der ihn von hinten angesprungen hatte. Collingwood hätte zwar etwas dagegen, daß seiner Nichte ein Leid geschah, aber nichts in der Welt konnte Simmons davon abhalten, diesen Strohkopf zu handlichen Kleinteilen zu verarbeiten.
Kapitel 8
SIE BRAUCHTEN FAST eine Stunde, bis sie einen verlassenen Schuppen fanden. Wären sie auf ihrem ursprünglichen Lagerplatz geblieben, hätte Maxie ein paar Gemüse mit Schinken gekocht, doch unter den gegebenen Umständen mußten sie sich mit Brot und Käse begnügen.
Danach lehnte sich Robin ins Heu zurück. Das durch ein schmales Fenster einfallende Mondlicht ließ seine Haare silbern aufschimmern. »Ich glaube, es ist an der Zeit, mir endlich zu erklären, worum es eigentlich geht. Ist die ganze Straße nach London voller großer, kräftiger Männer, die Sie entführen wollen?«
Obwohl es Maxie nicht gewohnt war, sich jemandem anzuvertrauen, wußte sie doch, daß Robin eine Erklärung verdient hatte. »Ich bin mir nicht sicher, was vor sich geht. Ich weiß ja nicht einmal, wo ich anfangen soll. Was wollen Sie wissen?«
»Was Sie bereit sind, mir zu sagen«, erwiderte er.
Plötzlich hatte sie das Bedürfnis, ihm alles über ihre Herkunft anzuvertrauen. »Mein Vater Maximus Collins war der jüngere Sohn einer sogenannten guten Familie. Er erkannte sehr schnell, daß seine Zukunftsaussichten nicht allzu großartig waren, und verbrachte seine Zeit vor allem beim Glücksspiel und anderen Zerstreuungen.«
Sie lächelte kläglich. »Mein Großvater kam zu der Ansicht, daß Max ein nutzloses, kostspieliges Ärgernis war, womit er vermutlich nicht einmal unrecht hatte. Er bot ihm an, seine Schulden zu bezahlen, wenn er bereit war, England zu verlassen. Meinem Vater blieb keine andere Wahl, und er beschloß, nach Amerika auszuwandern.«
Regen begann aufs Dach zu trommeln. Fröstelnd hüllte sich Maxie in ihre Jacke und wünschte sich, sie wäre dicker. »Mein Vater war kein schlechter Mensch, nur ziemlich nachlässig, was Geld und anderen Besitz anbelangt. In Amerika gefiel es ihm recht gut, weil das Leben dort in gewisser Weise nicht so reglementiert ist wie hier in England. Eine Weile blieb er in Virginia, dann zog er weiter nach Norden.
Nach einem kurzen Aufenthalt in New York wollte er mitten im Winter von Albany aus nach Montreal. Er wäre in einem Schneesturm fast gestorben, wurde aber rechtzeitig von einem Mohikaner gefunden und gerettet. Den Rest des Winters verbrachte Max in der Unterkunft des Jägers. Dort lernte er auch meine Mutter kennen.«
Maxie machte eine kleine Pause und fragte sich, wie Robin auf die Tatsache reagieren würde, daß sie ein Halbblut war. Ein häßliches Wort, dieses
»Halbblut«…
Aber seine Stimme verriet nichts als Interesse, als er fragte: »Die Mohikaner sind eins der sechs Völker der Irokesen-Konföderation, nicht wahr?«
»Ja.« Seine Kenntnisse überraschten und freuten sie. »Die Mohikaner waren die Hüter des Östlichen Tores und verteidigten die sechs Völker gegen die Algonquin-Stämme aus New England. Vier der sechs Völker leben jetzt hauptsächlich in Kanada, weil sie sich während der amerikanischen Revolution den Briten gegenüber
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