Der Spion und die Lady
dem es hieß, daß Kleidung für ein entschlossenes Paar keine Barriere darstellte.
Seine Augen verdunkelten sich, seine Hand hielt inne, um mit dem Daumen die Innenseite ihres Ellbogens zu streicheln. Fast entsetzt über ihre Empfindungen hielt Maxie den Atem an.
Er strich über ihren Unterarm, dann umklammerte seine Hand ihr Handgelenk. Da war die Haut nackt und begann unter dem Druck seiner Fingerspitzen förmlich zu glühen.
Der Riß in Robins Hemd ließ die Vertiefungen an seinem Schlüsselbein sehen. Sie sehnte sich danach, auch den Rest des Hemdes zu zerreißen, damit sie den sehnigen, kräftigen Körper sehen und berühren konnte, der sie die ganze Nacht in den Armen gehalten hatte. Sie sehnte sich danach, eine Mohikanerin zu sein, die sich ohne Bedenken und Scham hingeben konnte.
Aber Bedenken hatte sie mehr als genug. Er mußte etwas davon bemerkt haben, denn er atmete tief durch und wandte sich abrupt ab.
»Eine wundervolle Art, die Nacht zu verbringen«, sagte er eine Spur heiser und stand auf. »Bis auf die bedauerliche Tatsache, sich nach dem Erwachen wieder voneinander trennen zu müssen.«
Unsicher fuhr sich Maxie mit den Fingern durch die Haare. »Vielleicht war es doch ein Fehler, so eng beieinander zu schlafen.«
Er wirkte gekränkt. »Ich mache nie Fehler in meinem Leben. Zumindest keine, die ich nicht sofort entschuldigen kann.«
Maxie lachte, und plötzlich war wieder alles in Ordnung. »Beim nächstenmal werde ich darauf achten, nach dem Erwachen sofort aufzustehen.«
»Es freut mich sehr, daß es ein nächstes Mal geben wird. Wir brauchen Übung.«
Es war ein grauer, feuchter Tag, aber wenigstens regnete es nicht mehr. Robin hatte am Abend Reisig in den Schuppen geholt, und das war inzwischen trocken genug, um damit draußen vor der Tür ein kleines Feuer entfachen zu können.
Maxie holte Wasser aus der Regentonne und bereitete Tee zu, während Robin Brotscheiben über dem Feuer röstete. Mit den Resten von Mrs.
Harrisons Schinken ergab es ein herzhaftes Frühstück.
»Hätten Sie etwas dagegen, daß ich mich hier drinnen rasiere?« fragte Robin, während Maxies Kräutertee zog. »Draußen ist es ziemlich ungemütlich.«
»Nur zu.« Sie betrachtete sein zerrissenes Hemd und bemühte sich, den nackten Oberkörper darunter nicht zur Kenntnis zu nehmen. »Wir müssen Ihnen ein neues Hemd besorgen. Das da ist nicht mehr zu flicken.«
Robin verzog das Gesicht. »Ich kann es ohnehin kaum noch sehen.« Er holte sich sein Rasiermesser sowie ein Stück Seife und kniete sich vor den Topf mit dem Rest warmen Wassers.
Robin widmete sich seiner Rasur so intensiv wie sie ihrem Tee, aber es war eine Tätigkeit, die er sonst immer außerhalb ihrer Blickweite vorgenommen hatte. Ohne ihre neue Vertrautheit wäre das vermutlich auch heute so gewesen.
»Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich einen Bart wachsen zu lassen?« fragte sie. »Ich bin so unscheinbar, daß ich kaum auffalle, aber bei Ihnen ist das etwas anderes. Ein Bart würde Ihr Aussehen verändern und es so Simmons erschweren, uns zu finden.«
Er ließ Seife zwischen den Handflächen aufschäumen und verteilte sie auf Wangen und Kinn. »Mein Bart wird rot, was mein Aussehen noch auffälliger machen würde. Aber Sie haben recht. Wir müssen ein paar Veränderungen vornehmen. Wir wurden von Straßenräubern überfallen, und Simmons ist uns auf den Fersen.
Es ist höchste Zeit für eine neue Strategie.«
Maxie sah ihn über den Rand ihres Teebechers hinweg an. Es war etwas sehr Intimes, einem Mann beim Rasieren zuzusehen. Obwohl sie es bei ihrem Vater viele hunderte Male getan hatte, war ihr nie bewußt geworden, wie männlich Gesichtsbehaarung war. »Was schwebt Ihnen vor? Für eine Kutsche haben wir nicht genug Geld.
Oder denken Sie daran, sich durch
Zauberkunststückchen vielleicht etwas dazuzuverdienen?«
»Ich habe da so eine Idee. Es wäre zwar nicht die schnellste Art des Vorankommens, aber man könnte uns nicht mehr so leicht verfolgen. Sagen Ihnen Treiber etwas?« Er wetzte das Rasiermesser einige Male an einem Lederriemen und spannte dann seine Wangenhaut mit zwei Fingern, um sich die rotblonden Stoppeln abschaben zu können.
Diese Stoppeln hatten in der vergangenen Nacht ihren Nacken gekitzelt. Maxie mußte schlucken.
»Sie meinen die Männer, die Vieh in die Städte treiben?«
»Genau. Alle Städte müssen mit Nahrungsmitteln versorgt werden, und in London ist der Bedarf so groß, daß Lebensmittel aus allen
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