Der Spion und die Lady
hinaus.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt. »Wollen wir nachsehen, wie ernst es ist?« rief er seinem Kutscher zu.
Wickes übergab die Zügel an Miller, einem jungen Diener, der gleichzeitig als Leibwächter, Reitbursche und Kammerdiener fungierte.
Nachdem er vom Bock geklettert war, kroch er zusammen mit Giles durch den Schlamm, um den Schaden zu inspizieren. »Die Achse ist hin, Mylord«, verkündete Wickes düster. »Wir werden Miller losschicken müssen, damit er einen Schmied auftreibt.«
Giles zog seinen Hut tiefer über die Ohren, um zu verhindern, daß ihm der Regen in den Nacken lief.
»Wir sind eine oder zwei Meilen von Daventry entfernt. Dort gibt es sicher eine Schmiede.« Er wollte gerade Miller losschicken, als er hinter sich die Geräusche eines Pferdewagens hörte.
»Da können wir ja von Glück reden«, verkündete Wickes und trat auf die Straße, um das nahende Gefährt anzuhalten.
Es war kein Pferdewagen, sondern eine weitere Privatkutsche – eine Kutsche mit einer durchaus vertrauten gelben Verzierung. Ein breites Lächeln überzog Giles’ Gesicht.
Als er sich der Kutsche näherte, setzte sich eine hochgewachsene weibliche Gestalt den Fluten aus und kam auf ihn zu. Er beschleunigte seine Schritte und rief: »Steigen Sie wieder ein, Lady ROSS. Es ist absolut überflüssig, daß sie ebenfalls durchnäßt werden.«
»Keine Sorge, Wolverhampton. Ich werde mich schon nicht auflösen.« Sie zeigte ihm ein mutwilliges Lächeln. Von ihrer Schute tropfte Regen, ihre langen Wimpern klebten aneinander.
»Endlich ergibt sich für mich die Chance, ausnahmsweise einmal Ihnen behilflich zu sein.
Wie könnte ich mir diese Chance entgehen lassen? Ich nehme an, Ihnen ist ein Rad oder sogar die Achse gebrochen?«
Er nickte. »Es wäre sehr liebenswürdig von Ihnen, wenn Sie in Daventry jemand damit beauftragen würden, uns zur Hilfe zu kommen.«
»Warum steigen Sie nicht bei mir ein? Ihre Männer werden sehr gut allein fertig. Ich habe die Absicht, im Wheatsheaf abzusteigen, einer recht annehmbaren Herberge.« Sie zog ihren Umhang enger um sich. »Es wirklich nicht das geeignete Wetter zum Reisen.«
Die Aussicht, einige Zeit mit Lady ROSS verbringen zu können, war zu verlockend, um ausgeschlagen zu werden. Giles trug seinen Männern auf, auf Hilfe zu warten, holte eine Reisetasche mit dem Notwendigsten aus seiner Kutsche und stieg in Lady ROSS’ Gefährt um.
»Was ist aus Ihrer Zofe geworden?« fragte er angesichts der Tatsache, daß sie allein in der Kutsche saßen.
»Das dumme Ding hat sich böse erkältet, da habe ich sie nach Hause geschickt.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Wie Sie sehen können, habe ich mich nicht an Ihren Rat gehalten, ergeben die Ankunft der Flüchtigen in London abzuwarten.
Zwei- oder dreimal traf ich auf Leute, die glauben, die beiden gesehen zu haben, aber eine brauchbare Spur hat sich nicht ergeben. Und wie ist es Ihnen ergangen?«
»Ähnlich.« Spontan kam Giles zu dem Entschluß, Ruxton nicht länger als Geheimnis zu behandeln.
»Robin besitzt ein Haus in der Nähe von Daventry. Ich bin auf dem Weg dorthin. Vielleicht haben die beiden vor, da einen oder zwei Tage zu verbringen. Haben Sie Lust, mich zu begleiten?«
»Auf jeden Fall.« Sie lächelte ausgesprochen ironisch.
»Es ist von unübersehbarem Vorteil, wenn wir sie gemeinsam finden.«
Gemeinsam. Das Wort hatte einen angenehmen Klang.
In Daventry trafen sie auf einen Schmied, der gegen ein nur gelinde überhöhtes Entgelt bereit war, sich sofort um Giles’ Kutsche zu kümmern.
Danach begaben sie sich zum Wheatsheaf Irin.
Dort bestellte Giles Tee und Gebäck. Der Wirt erteilte die Anordnungen und bat sie dann in einen abgeschiedenen Raum.
Giles legte seinen Mantel ab, und Desdemona trat vor den Kamin. »Das alles kommt mir sehr bekannt vor«, verkündete sie. »Wir scheinen uns stets in Gasthäusern zu treffen.« Sie nahm die Schute ab und schüttelte den Kopf. Ihre roten Haare fielen ihr wie eine wilde Mähne über die Schultern und lockten sich wegen der Feuchtigkeit.
Fasziniert sah Giles zu, wie sie sich abwesend mit den Fingern durch die rote Pracht fuhr und vergeblich versuchte, die Strähnen zu glätten.
Er setzte gerade zu einer Bemerkung über die Folgen an, die Begegnungen in Gasthäusern auf den guten Ruf haben konnten, als Desdemona ihren durchnäßten Umhang abstreifte.
Er hatte sich gefragt, wie sie wohl ohne die Schichten unförmiger Kleidung aussehen würde.
Jetzt bekam er die
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