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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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wofür ich dir in dem Moment dankbar war, in dem mein Zorn verrauchte.« Sie küßte ihn auf die Stirn und spürte den harten Schlag seines Pulses. »Erzähl mir, was du getan hast, Robin. Lasten sind leichter, wenn sie gemeinsam getragen werden.«
    »Da gab es so vieles«, flüsterte er. »Unzählige Lügen. Informanten von mir, die dann gefangen wurden und unter abscheulichen Umständen zu Tode kamen. Der französische Major, den ich tötete, weil er ein so ausgezeichneter Soldat war, daß er eine spanische Festung für die Ewigkeit gegen unsere Belagerung gehalten hätte.«
    »Aber deine Informanten kennen die Risiken doch ebensogut wie du. Und was den Major anbelangt, so ist das Töten eines Menschen natürlich verabscheuungswürdig…« Maxie zögerte und wählte ihre Worte mit Bedacht, »aber eine Belagerung ist eine schreckliche Sache, die häufig genug mit einem Blutbad endet. Hat deine Tat das verhindert?«
    »Nach dem Tod ihres Anführers zogen sich die Truppen kampflos aus der Stadt zurück. Also wurden Menschenleben gerettet, aber das kann den Tod eines Mannes nicht rechtfertigen, der seine Pflicht getan hat. Ich bin ihm einige Male begegnet. Er war mir sympathisch…«
    »O Robin, Robin«, hauchte Maxie mitfühlend. »Ich begreife, warum du einmal gesagt hast, auf dem Schlachtfeld seien die Dinge einfacher. Für Soldaten ist es unter Umständen leichter, da die Verantwortung in anderen Händen liegt. Deine Arbeit war sehr viel komplizierter. Du mußtest oft genug zwischen zwei Übeln entscheiden – in einer Welt, in der es kein klares Schwarz und Weiß gibt, sondern nur unterschiedliche Grautöne. Zwölf Jahre in dieser Atmosphäre hätten jeden Menschen überfordert.«
    »Mich haben sie mit Sicherheit überfordert.«
    In der Ferne grollte Donner, der Regen schlug heftiger gegen die Fenster. Mit dem Gefühl, sich mit verbundenen Augen durch ein Moor zu bewegen, wo ein falscher Schritt zur Katastrophe führen konnte, fragte sie: »Ist der Tod des Majors das Schlimmste, das du dir vorwirfst?«
    Wieder begann er zu zittern.
    »Sag es mir, Robin«, beharrte Maxie mit leiser, aber fester Stimme. »Deine Qualen werden sich nur verfestigen, wenn du dich nicht aussprichst.«
    »Nein!« Er wand sich in ihren Armen, wollte sich ihr entziehen.

    Aber das ließ Maxie nicht zu. »Sag es mir«, wiederholte sie.
    »Es war in Preußen«, brach es aus ihm heraus.
    »Ich war in den Besitz der Abschrift eines Abkommens mit ernsten Folgen für
    Großbritannien gelangt.«
    Maxie dachte an das, was sie über den Krieg wußte. »Das Abkommen von Tilsit, das Frankreich und Rußland in der geheimen Hoffnung schlossen, Großbritannien in die Knie zu zwingen?«
    Er hob den Kopf und sah sie an. »Für eine Amerikanerin kennst du dich in der europäischen Politik erstaunlich gut aus.«
    »Mein Vater interessierte sich für dieses Thema, daher verfolgten wir gemeinsam alle Nachrichten«, erläuterte sie. »Du hast also tatsächlich den Inhalt der Geheimartikel des Friedensvertrages in Erfahrung bringen können?«
    »Wenige Stunden nach der Unterzeichnung.« Er lächelte bitter. »Aber das Erlangen dieser Informationen war im Vergleich mit der Rückkehr nach England ein Kinderspiel. Die Franzosen kamen mir sehr schnell auf die Schliche und verfolgten mich. Ich mußte nach Kopenhagen, also ritt ich tagelang nach Westen und nutzte jeden Trick, um sie in die Irre zu führen.
    Schließlich war ich überzeugt davon, entkommen zu sein. Mein Pferd war dem Tode nahe und ich auch. Ich kannte eine Familie in der Nähe, wohlhabende Bauern. Sie haßten die Franzosen und hatten mir in der Vergangenheit schon geholfen.«
    Robin holte tief Luft und fuhr dann fort: »Sie empfingen mich wie einen verlorenen Sohn. Ich erzählte ihnen, daß man mich verfolgt hätte, aber sicher sei, entkommen zu sein. Es bestünde also keine Gefahr.« An seinem Hals begann eine Ader sichtbar zu pochen. »Ein katastrophaler Irrtum.«
    »Die Franzosen haben dich gefunden?«
    Er nickte. »Am nächsten Morgen weckte mich Herr Werner, nachdem er erfahren hatte, daß französische Truppen die Umgebung absuchten.
    Ich wollte sofort verschwinden und ging zum Stall, aber mein Pferd war fort. Dann fiel mir auf, daß ich ihren jüngsten Sohn Willi noch nicht gesehen hatte. Er war sechzehn Jahre alt, ungefähr so groß wie ich und ebenfalls blond. Er sah in mir wohl so etwas wie einen Helden. Da mein Pferd fehlte, kam mir eine entsetzliche Ahnung. Ich rannte durch den Wald auf die

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