Der Spion und die Lady
nach Paris. Er zeigte sich sehr beeindruckt von dem, was ich in Erfahrung gebracht hatte, und schlug vor, daß ich bis zum Ende des Waffenstillstands in Frankreich blieb. Abgesehen von meiner angeborenen Tollkühnheit war meine Mutter auch Schottin, was mir Zugang zur schottischen Gemeinde verschaffte, die sich nach dem Scheitern der jakobitischen Rebellion von 1745 in Paris niedergelassen hatte. Da sie Napoleon verachteten, gaben sie hervorragende Verbündete ab.«
Robin hatte seinen wenige Jahre älteren Cousin stets bewundert, und es war zutiefst befriedigend gewesen, seine Anerkennung zu gewinnen. In dieser Hinsicht war er bisher nicht besonders verwöhnt worden. Es schien verlockend leicht, sich selbst davon zu überzeugen, daß er etwas Wertvolles und Tapferes tat.
»Anfangs kam es mir wie ein Spiel vor. Ich war zu jung und unvernünftig, um zu erkennen, daß…
daß ich Stück für Stück meine Seele verkaufte.«
Wieder begann wilde Panik in ihm aufzusteigen.
»Als ich endlich begriff, was ich da tat, war nichts mehr von mir da.«
»Eine reizvolle Metapher«, sagte sie weich, »aber leider falsch. Du hast vielleicht vergessen, wie du deine Seele wiederfinden kannst, aber du kannst sie weder verlieren, verkaufen noch fortgeben.«
Er zeigte ihr ein bitteres Lächeln. »Bist du dir da sicher?«
»Ganz sicher.« Sie umfaßte seine Hand, und die Panik ebbte ab. »Wenn du keine Seele hättest, könntest du nicht die Schuldgefühle empfinden, die du gerade verspürst.
Deiner Erfahrung nach schlafen ausgemachte Schurken nachts ausgesprochen gut.«
»Daran gemessen müßte ich ja ein Heiliger sein.«
»Du hast mir einmal erzählt, daß seine Freundin Maggie deine Partnerin bei den Verbrechen war.
Damals habe ich mich gefragt, was du damit meinst. Hat sie auch spioniert?«
»Ja. Ihr Vater wurde vom französischen Mob getötet. Ich verhalf ihr zur Flucht. Für sie bestand kein Anlaß, nach England zurückzukehren, also wurden wir Partner. Ich verbrachte viel Zeit mit Reisen über den Kontinent, aber zu Hause fühlte ich mich da, wo Maggie war. Häufig in Paris.«
»Kameraden und Liebende«, murmelte Maxie.
»Sie war die Klammer. Als sie dich verließ, kam der Zusammenbruch.«
Er nickte. »Wenn wir zusammen waren, konnte ich meine Dämonen beherrschen. Woher hast du das gewußt?«
»Weibliche Intuition«, entgegnete Maxie trocken.
»Vermutlich hast du deine Gastspiele als Diener gegeben, um Informationen zu erlangen.«
»So ist es. Die Menschen nehmen Diener nicht zur Kenntnis. Als Lakai oder Reitbursche kann man viel von den Vorgängen in einem Haus erfahren.«
Maxie legte die Bettdecke über sie beide. Ihre Wärme tat wohl. Robin hatte gar nicht bemerkt, wie sehr er fror. Aber die entscheidende Wärme ging von Maxie aus. Sie war Beglückung, Verständnis und Trost.
»Gerade geht mir durch den Kopf, daß viele deiner absurden Geschichten wahr sein könnten«, sagte sie.
»Hast du in Konstantinopel wirklich eine Kerkerzelle mit einem chinesischen Seemann geteilt?«
Er lächelte leicht. »Wahr wie der helle Tag. Li Kwan brachte mir ein paar Kampftechniken bei, die mir später nicht nur einmal das Leben gerettet haben. Die Kombination unserer Fähigkeiten brachte uns schließlich aus diesem Höllenloch heraus.«
»Und was war mit Napoleons Rückzug aus Moskau?«
Robin schluckte krampfhaft und begann zu zittern, als stecke ihm die Kälte des russischen Winters noch immer in den Knochen.
Maxie nahm ihn wieder in die Arme. »Es ist nur zu verständlich, daß diese Erinnerungen schmerzlich sind, aber deine Tätigkeit hat deinem Land auch geholfen und wahrscheinlich dazu beigetragen, den Krieg früher zu beenden.«
»Vielleicht, obwohl vieles von dem, was ich tat, mehr als banal war.« Seine Lippen verzogen sich.
»Einer der Triumphe meiner zweifelhaften Laufbahn war die nicht allzu schwere Folgerung, daß Bonaparte seine Invasion Rußlands anhand der in seiner Bibliothek stehenden Bücher über russische Geographie plante.«
Sie gab ein fast unhörbares Pfeifen von sich. »Die Folgerung war vielleicht leicht, aber wie ist es dir nur gelungen, in die Privatbibliothek des Kaisers zu gelangen?«
»Die Antwort wird dir nicht gefallen.«
Maxie strich ihm das schweißfeuchte Haar aus der Stirn. In seinen Augenwinkeln entdeckte sie tiefe Falten. Zum ersten Mal sah er so alt aus, wie er war. »Es herrschte Krieg. Und wenn man in dieser Situation einen Menschen tötet, um irgendwo Zugang zu gewinnen, so
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