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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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besser vertraut.
    Die Frau zog einen Zeitungsausschnitt aus ihrer Handtasche.
    „Das hier ist doch Frau Stein, seine Frau?“
    Was sollte das werden? War die Frau eine Reporterin? „Wenn das Frau Stein ist, kenne ich sie.“
    „Das ist gut möglich, Frau Sänger. Sie lebt seit Langem in Hannover, ihr Mann war ein bekannter Politiker. Da liegt es nahe, dass Fotos von ihr veröffentlicht wurden.“
    Die Frau warf ihr einen verärgerten Blick zu.
    „Ich leite das Frauenhaus in Hannover. Frau Stein hat vor einigen Jahren Zuflucht bei uns gesucht. Das muss drei oder vier Jahre her sein. Ihr Mann hatte sie verprügelt. Die Verletzungen habe ich mit eigenen Augen gesehen.“
    „Die Frau von Uwe Stein im Frauenhaus! Weil er sie verprügelt hatte!“
    Das musste ein Missverständnis sein. Nicht dieser attraktive schneidige Politiker, der an jedem Finger fünf Frauen haben konnte. Wenn sich ihr die Chance eröffnet hätte, wäre sie auch nicht abgeneigt gewesen. Ihre Besucherin blieb dabei.
    „So ist es. Damals wusste ich allerdings nicht, wer sie war und ihren Namen hatte sie nicht genannt. Sie hatte ihre kleine Tochter dabei und ging bald wieder, weil wir Anzeige erstatten wollten.“
    Frau Sänger rückte nach vorne. „Die Verletzungen waren fürchterlich. Am ganzen Körper Striemen und blaue Flecken. Das müssen sehr harte Schläge gewesen sein, und er hatte sie nicht nur einmal geschlagen.“
    Petra schluckte. Der Kloß im Hals war ein sicheres Zeichen, wie aufgeregt sie war.
    „Ist sie später noch einmal zu Ihnen gekommen?“
    „Nie. Ich habe meine Mitarbeiterinnen befragt. Niemand kann sich erinnern.“
    „Ich würde Ihre Aussage gerne protokollieren.“
    Frau Sänger nieste, Petra rückte ein Stück zur Seite. Das Protokoll war schnell geschrieben. Frau Sänger besaß Routine in solchen Dingen und fasste sich angenehm kurz.
    Aus dem Telefonhörer kam ein müdes Geräusch.
    „Ich bin’s, Frau Hauser. Wie geht es Ihnen?“
    „Vier minus, jedenfalls besser als heute Nacht. Der Durchfall hat aufgehört, Übelkeit und Gliederschmerzen leider noch nicht.“
    Petra Schramm platzte mit der Neuigkeit heraus. Verena kündigte an, noch heute zur Witwe fahren zu wollen. Das war nicht das, was Petra hören wollte. Sie hatte gehofft, die Sache übertragen zu bekommen.
    „Sie sind doch krank“, sagte sie fürsorglich. Aber es war Petra gewesen, die der Fahnderin soeben mit der neuen Information neue Vitalität verliehen hatte. Sie ließ nicht mit sich handeln und wollte zügig aufbrechen, als das Telefon schon wieder klingelte.
    „Hallo Verena, hier ist Jürgen. Ich habe gehört, dass es dir schlecht geht. Ist es sehr schlimm?“
    Seine Stimme klang aufrichtig besorgt. Das war nicht die Stimme des Vorgesetzten, das war eine private Stimme.
    „Brauchst du etwas? Ich kann es aus der Apotheke besorgen.“
    Verena war hin- und hergerissen. Sind wir also wieder beim Du angekommen, freute sie sich. Die Vorstellung, ihn um sich zu haben, war angenehm. Doch sie wollte seine Geliebte sein, nicht seine Patientin, sie wollte sein Begehren wecken, nicht seine pflegerischen Instinkte.
    „Danke, ich komme schon klar. Morgen bin ich wieder an Bord.“
    Das Gespräch war schnell beendet. Von Gefühlen war plötzlich nichts mehr zu spüren, jedenfalls nichts zu hören. Erst die Blumen, dann der besorgte Anruf, vielleicht war es ja noch nicht zu Ende.
    Sie rief Stollmann an und erwischte ihn beim Glöckle am Steintor, wo er seine zweite Bratwurst vertilgte.
    „Red bloß nicht vom Essen“, stöhnte sie. Er berichtete von seinem Gespräch mit Hübner, dem Betriebsratsvorsitzenden. Jetzt war er auf dem Weg nach Celle, wo Marion Klaßen eine Sprechstunde in ihrem Bürgerbüro abhalten würde. Verena erzählte ihm im Gegenzug von der Aussage der Frauenhausleiterin. Beide waren sich einig, dass mit der Aussage von Frau Sänger der versuchte Giftmord so gut wie geklärt war.

31
    Isabel Stein tat nicht so, als wäre sie traurig. Wie es aussah, würde sie in den kommenden Tagen auch nicht vielen Menschen begegnen, die von ihr klassisches Witwenverhalten erwarteten. Ihre Mutter würde nicht zur Beerdigung kommen, angeblich ging es ihr gesundheitlich nicht gut genug, um sich die weite Reise von Almería nach Hannover zuzumuten. Zu einer Tante, die in Hamburg lebte, beschränkten sich die Kontakte auf Weihnachtskarten. Alfred Bitter war bei ihr gewesen und hatte sein Beileid ausgesprochen. Alle anderen Kontakte waren übers Telefon gelaufen:

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