Der Stachel des Skorpions
Paladin. Unser Einfluss ist nicht mehr zu leugnen.«
Gareth schüttelte ehrlich erstaunt den Kopf. »Ich hatte ja keine Ahnung.«
»Die Republik ist zu weich geworden. Wir haben es zu leicht gehabt. Devlin Stones Ära war ein Traum, und nun wird es Zeit, aufzuwachen und uns der Wirklichkeit zu stellen. Es wird Zeit, dass sich die Menschen wieder an die Adelshäuser erinnern, die sie so lange regiert haben. Es wird Zeit, dass wir wieder zu unserem Recht kommen.« Eine raue Note trat in Mallowes' Stimme und sein Ton wurde fordernder. »Viele deiner Partner sind dazu nicht bereit. Victor Steiner-Davion war es nicht. Ich bin es. Du bist es. Dies wird unsere Ära sein.«
»Nicht, wenn es nach Jonah Levin geht. Nicht, wenn er mir weiter nachstellt.«
»Das wird er nicht. So oder so wird Jonah Levin keinen Einfluss mehr auf dich oder auf die morgige Wahl haben.« Mallowes stand auf und ließ sein Essen stehen. »Dafür sorge ich persönlich.«
Paladin Jonah Levins Büro, Genf, Terra Präfektur X, Republik der Sphäre
19. Dezember 3134
Jonah Levin bereitete sich auf seine bevorstehende Vorstellung vor, indem er sich daran erinnerte, dass auch auf dem Schlachtfeld häufig Schauspielkunst gefragt war: zum Beispiel indem man dem Feind eine größere Schlagkraft vortäuschte, als sie tatsächlich gegeben war; einen Angriff in eine Richtung vortäuschte, um dann die gesamte Streitmacht in eine andere zu ziehen; oder eine beschädigte Einheit allein als Köder ausschickte und dann den Gegner aus dem Hinterhalt überfiel, falls er zuschlug. All das erforderte Täuschung, ja sogar regelrechte Schauspielerei. Diese Taktiken waren nicht wirklich so verschieden von dem, was er jetzt versuchen wollte.
Nur dass er Worte einsetzen musste statt Mechs, und die waren eigentlich nicht seine bevorzugte Waffe.
Senator Mallowes wartete in Jonahs Vorzimmer inzwischen seit sechseinhalb Minuten, in denen ihn der Paladin über eine versteckte Kamera genau beobachtet hatte. Mallowes hatte volle sechs Minuten ruhig dagesessen, ein Modell an staatsmännischer Würde. Schließlich aber hatte seine Ungeduld doch die Oberhand gewonnen, und er war aufgestanden und einmal schnell rund ums Zimmer gegangen, bevor er sich wieder setzte. Jonah konnte fast sehen, wie an Mallowes' Händen, die auf den Knien lagen, die Knöchel weiß hervortraten.
Noch ein paar Sekunden, dachte er. Ich brauche noch ein wenig mehr Verärgerung.
Er zählte in Gedanken bis zwanzig, arrangierte seine Züge zur Miene eines Mannes, der sich zur Höflichkeit zwingen musste, und öffnete die Tür.
»Senator Mallowes«, sagte er. »Womit kann ich dienen?«
»Paladin Levin«, eröffnete der Senator mit einer überzeugenden Imitation von Freundlichkeit das Gespräch. »Ich bin mir bewusst, dass Sie mit den Vorbereitungen auf die morgige Wahl recht beschäftigt sein müssen, aber wenn Sie einen Moment Ihrer Zeit für mich erübrigen könnten. Sie müssen mir glauben, es ist wichtig und von großer Bedeutung für die Wahl.«
Jonah rollte fast unmerklich die Augen. »In Ordnung. Kommen Sie herein, aber viel Zeit habe ich nicht.«
Als er sich umdrehte, hörte er Mallowes beinahe kochen.
Jonah ging mit schnellen Schritten zurück an seinen Schreibtisch und überließ es Mallowes, hinter sich die Türe zuzuziehen.
Der Senator setzte sich auf die Kante des einfachen Holzstuhls. Jonah hatte mit dem Gedanken gespielt, die Stuhlbeine um zwei, drei Zentimeter zu kürzen, dann aber entschieden, dass er Wichtigeres zu tun hatte, als um einer Erniedrigung willen das Mobiliar zu ruinieren.
»Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir zu sprechen«, sagte Mallowes. »Ich möchte mich mit Ihnen über etwas unterhalten, das ich bei unserer letzten Begegnung gesagt habe.«
»Und was?«
»Ich habe möglicherweise den Eindruck erweckt, zwischen Henrik Morten und Gareth Sinclair bestünde eine engere Verbindung, als dies tatsächlich der Fall ist. Alles, was ich damals sagen wollte, war, dass ich nicht darüber informiert war, ob Sinclair seine Beziehungen zu Morten abgebrochen hatte, so wie ich. Ob er Morten tatsächlich weiter angestellt hat oder was er von ihm hielt, das kann ich nicht wissen.«
»Warum erzählen Sie mir das jetzt... es spielt keine Rolle. Es ist zu spät. Sie können Ihren Freund zu decken versuchen, so viel Sie wollen. Dazu ist es zu spät.«
»Verzeihung?«
»Es ist zu spät.« Jonah fasste die Kanten des Schreibtischs und beugte sich vor. »Ich habe Morten. Und er
Weitere Kostenlose Bücher