Der Stachel des Skorpions
hatte. Etwas, das ihn in eine ganz andere Richtung lenkte.
Er hoffte es inständig.
Im Gegensatz zu den meisten Paladinen war Jonah in der Lage, sich in seinem offiziellen Büro zu entspannen. Sogar mitten am Tag wirkte es verlassen, weil Jonah hier nur ein Minimum an Mitarbeitern unterhielt - in der Regel gerade mal eine einzelne
Rezeptionistin von einer Zeitarbeitsagentur. Er war einfach nicht oft genug auf Terra, um einen festen Stab von Mitarbeitern zu benötigen, und wenn er im Solsystem war, hatte er keine Lust, lange nach Leuten zu suchen. Die Vorzimmerdame saß an der Eingangstür und sein Büro lag am anderen Ende der Zimmerflucht. Er hätte eine Blaskapelle vor seinem Schreibtisch spielen lassen können, ohne dass sie es gehört hätte.
Sie begrüßte ihn höflich, als er eintraf, und er lächelte zurück. Dabei nahm er sich vor, sich ihren Namen zu merken, bevor er Terra wieder verließ. Dann wies er sie an, weder Anrufe durchzustellen noch Besucher vorzulassen.
»Auch keine anderen Paladine?«
»Ganz besonders keine Paladine«, antwortete Jonah. Heute hatte er für Politik noch weniger Zeit als sonst.
Jonahs Büro ähnelte einer Gefängniszelle mit einem prächtigen Schreibtisch. Als er zum Paladin ernannt wurde, hatte die Hausverwaltung ein paar Dekorationsstücke in das Zimmer gestellt - ein Bild von einem Sonnenuntergang, einen künstlichen Gummibaum und zwei blaue Marmorbücherstützen -, und dabei war es bis heute geblieben. Zwischen den Bücherstützen stand ein einzelner Band über Vorschriften und Verfahrensregeln des Regierungsalltags. Die einfachen Vorhänge verliehen dem einfallenden Sonnenlicht einen grauen Schleier.
Mit einem Knopfdruck öffnete er die Vorhänge, dann verriegelte er mit seinem persönlichen Schließcode die Tür hinter sich und stellte die Automatik so ein, dass sie das Büro außer bei Anfragen der höchsten Sicherheitsstufe als unbesetzt auswies. Danach setzte er sich an seinen Schreibtisch, öffnete den schmalen Aktenkoffer, den er mitgebracht hatte, und holte den Stoß Papiere heraus, der sich darin befand. Ein Teil davon waren seine Notizen zu diesem Fall, andere gehörten Burton Horn. Er hatte sich die Dateien, die Heather GioAvanti ihm geschickt hatte, noch nicht angesehen, bezweifelte aber, dass er sie benötigen würde. Was er bereits hatte, war schon schlimm genug.
Er holte einen Compblock und einen Griffel aus einer Schublade und machte sich daran aufzustellen, was er wusste:
T atsache : Steiner-Davion sollte die Eröffnungsansprache vor dem Wahlkonklave der Paladine halten, doch er wurde in der Nacht davor ermordet.
T atsache : Henrik Morten, der Liebhaber von Victors Krankenschwester/Haushälterin Elena Ruiz und ein diplomatischer Feuerwehrmann von fragwürdiger Moral, hat Ruiz ermuntert, ihm Informationen über das letzte Projekt des Paladins zu verschaffen.
T atsache : Gareth Sinclair wurde nach Victors Tod zum Paladin befördert.
T atsache : Victor arbeitete an einem Dokument, das Lina Derius, Melanie Vladistok, Geoffrey Mallowes, Gareth Sinclair und etwa ein weiteres Dutzend Ritter der Sphäre auflistete. Warum ihre Namen auf der Liste stehen und welche Bedeutung die Zahlen haben, ist noch unklar.
T atsache : Morten steht mit zahlreichen Politikern in Kontakt, vor allem mit solchen, die mit der Gründerbewegung sympathisieren. Er hat für drei der Paladine gearbeitet: für McKinnon, Sorenson und Sinclair. Victor Steiner-Davion galt als Gegenspieler der Gründerbewegung.
T atsache : Morten wurde bei einem Aufruhr gesichtet, den vermutlich die Kittery-Renaissance angezettelt hatte.
T atsache : Senatorin Melanie Vladistok hat eine Beziehung zu Morten und versucht, deren Wesen geheim zu halten.
A nnahme : Die Politiker, deren Namen auf Ruiz' Dokument erscheinen, waren in eine so zwielichtig erscheinende Sache verwickelt, dass sie SteinerDavions Verdacht erregte, und sie war bedeutend genug, um ihn wütend zu machen. Im Laufe seines langen Lebens hat Victor so ziemlich alles, was das Universum an Heimtücke und Verrat zu bieten hat, am eigenen Leib zu spüren bekommen.
A nnahme : Victor hatte vor, das Komplott, das er entdeckt hatte, öffentlich zu machen, und zwar in seiner Rede vor den Paladinen. Vermutlich ging er davon aus, dass diese Informationen einen Einfluss auf die Wahl haben würden.
A nnahme : Kurzfristig hat Gareth Sinclair von Victors Tod am meisten profitiert, doch es besteht kaum eine Chance, dass er von seiner bevorstehenden
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