Der Stalker
würde. »Er … hat ihr aufgelauert. Und dann hat er sie … geholt.«
»Warum?«
»Weil er krank ist im Kopf! Weil …« Sie verstummte.
»Wussten Sie von Anfang an, dass er es war?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin erst später draufgekommen. Zuerst hatte ich keine Ahnung. Ich wusste, dass sie nicht weggelaufen war, das hätte sie nie gemacht. Ich meine – klar, früher war sie ziemlich wild gewesen, aber sie hatte sich geändert. Und dann hab ich noch mal drüber nachgedacht. Bin auf die Idee gekommen, dass er es sein könnte. Erst holt er sie. Und dann mich.«
»Warum sind Sie nicht zu uns gekommen? Warum haben Sie kein Wort gesagt?«
Sie lachte schroff. »Sie haben sich ja wirklich den Arsch aufgerissen, um Adele zu finden. Außerdem – was hätte ich denn sagen sollen? Mein Sohn hat’s auf mich und meine Tochter abgesehen, weil ich seinen Vater umgebracht hab?«
Phil schwieg. Sie hatte recht.
»Kannten Sie die Namen der anderen Frauen? Als Sie gehört haben, dass sie vermisst wurden beziehungsweise getötet worden waren? Haben Sie sie mit Ihrem Sohn in Verbindung gebracht?«
»Kann schon sein … keine Ahnung. Nein.« Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen. In ihren Worten schwang keine rechte Überzeugung mit, dennoch schien sie es sagen zu müssen, damit sie selbst daran glauben konnte.
Und nicht noch mehr Schuld auf sich laden muss, dachte Phil.
»Sie hätten mit mir reden sollen«, sagte er. »Zu mir hätten Sie kommen können.«
Sie antwortete nicht. Was gab es noch zu sagen?
»Und was jetzt? Er ist nicht auf seinem Boot. Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte?«
Paula schüttelte den Kopf.
»Schützen Sie ihn nicht länger, Paula. Nicht nach allem, was passiert ist. Wenn Sie es wissen, dann sagen Sie es mir.«
Sie sah auf, und es loderte in ihren tränenfeuchten Augen. »Ich schütze ihn doch gar nicht! Glauben Sie allen Ernstes, das würde ich tun? Nach allem, was er gemacht hat? Nach allem, was er mir weggenommen hat? Das glauben Sie? Er ist völlig krank, Mr Brennan! Bei ihm ist da oben nichts mehr drin außer Hass. Wenn ich wüsste, wo er steckt, dann würde ich es Ihnen sagen. Ich würde Sie selber hinführen zu diesem verdammten Mistkerl …«
Sie brach ab, als ihr die Tränen kamen.
Aus dem ersten Stock drang das Weinen eines kleinen Kindes zu ihnen.
»Adeles Kleine«, sagte Paula tonlos. Das Weinen wurde lauter, aber sie machte keine Anstalten aufzustehen.
Es gab nichts mehr, was Phil ihr hätte sagen, keine Frage, die er ihr noch hätte stellen können. Er stand auf.
»Ich muss Sie mit aufs Revier nehmen.«
Sie nickte. Das Weinen von oben hielt an.
»Aber nicht jetzt. Das hat Zeit.«
Paula reagierte nicht. An der Tür drehte Phil sich noch einmal um und sah, wie sie ganz allein in ihrem verdreckten Wohnzimmer saß. Das Kind weinte immer noch. Er wollte etwas sagen. Etwas Ermutigendes, das ihr Kraft geben, einen Weg aus all dem Leid zeigen und ihr den schrecklichen Verlust erträglicher machen würde.
Aber ihm fiel nichts ein. Überhaupt nichts.
Er ließ sie allein.
Zog die Haustür hinter sich zu und trat in die Dunkelheit hinaus.
92 Mickey musste nicht lange warten. Gleich darauf klopfte es. Er stand auf und trat auf den Flur hinaus, wobei er die Tür des Vernehmungszimmers hinter sich zuzog. Hoffentlich war es jemand, der ihm aus der Patsche helfen konnte.
Anni.
»Hier.« Sie reichte ihm ein Blatt Papier. »Die vorläufigen DNA -Ergebnisse von Adeles Leiche. Wie Nick gesagt hat, eins der DNA -Profile ist ziemlich auffällig.«
»Warum?«
»Schau’s dir an.« Sie zeigte auf die entsprechende Stelle.
Mickey las – und lächelte. »Danke, Anni. Damit kriege ich ihn vielleicht.«
Sie erwiderte sein Lächeln. »Viel Glück!«
Marina steckte den Kopf aus der Tür des Beobachtungsraums. »Gute Arbeit, Mickey.«
Sofort wurde er unsicher. »Finden Sie? Ich hab irgendwie keinen Draht mehr zu ihm.«
»Das wird schon wieder. Denken Sie dran, er ist der Mitläufer, Fiona Welch ist die Anführerin. Wenn er ihr nie begegnet und nie unter ihren Einfluss geraten wäre, dann säße er jetzt nicht hier. Ich glaube nicht, dass er durch und durch böse ist. Nutzen Sie diesen Umstand für sich. Appellieren Sie an seine gute Seite. Seien Sie sein Freund.«
»Sie meinen, ich soll noch mal einen auf Kumpel machen?«
»Einen Versuch ist es wert.«
Er wedelte mit dem Blatt Papier. »Und falls alle Stricke reißen, hab ich immer noch das
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