Der Stalker
Vergewaltigung.
»Du verdammtes Schwein.« Ihr Kiefer schmerzte, so hart presste sie die Zähne aufeinander.
Es klingelte.
Suzanne schrie.
14 Anni Hepburn nahm den Hörer ab, tippte die Nummer ein und wartete. Kurz darauf wurde abgenommen.
» DS Gosling.«
»Jane? Ich bin’s, Anni. Hast du kurz Zeit?«
»Wir sind unterwegs, Zeugenbefragung. Dauert es lange?«
Zeugenbefragung. Stimmt ja, die Birdies arbeiteten für Phil. Na, dann viel Spaß. Für Phil auch.
Ihr schlechtes Gewissen meldete sich. Nein. Bitterkeit war ungesund. Das sollte sie sein lassen. Aber seit Clayton tot war, hatte sie immer öfter damit zu kämpfen. Sein Tod hatte das Team hart getroffen, und jeder hatte seine eigene Art, damit fertig zu werden. Wie Phil ihr gesagt hatte: Trauern Sie, so viel Sie wollen, aber machen Sie Ihre Arbeit.
Nichts anderes tat sie. Bloß wollte sie dabei nach Möglichkeit nicht in Phils Nähe kommen.
Anni lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück, den Hörer zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt. »Nur ganz kurz, Jane. Es geht um einen Fall, den du mal bearbeitet hast. Ich wollte nur fragen, ob du dich noch an ihn erinnerst.«
»Ich versuch’s, schieß los.«
Anni hatte Suzanne im Untersuchungsraum des Reviers in Southway abgeliefert und war dann ins Büro gegangen, um ein paar Dinge zu überprüfen. Sie hatte den Namen Suzanne Perry durch den Computer laufen lassen und überraschenderweise einen Treffer gelandet. Sie hatte schon einmal mit der Polizei zu tun gehabt.
Anni hatte die Fallakte überflogen. Zwei Jahre zuvor war Suzanne noch Studentin an der University of Essex gewesen, in einem Aufbaustudiengang für Logopädie. Damals hatte sie behauptet, einer ihrer Tutoren, ein gewisser Anthony Howe, habe ihr im Austausch für Sex eine Eins versprochen. Sie hatte ihn wegen sexueller Belästigung angezeigt. Am Ende stand ihr Wort gegen seines, und da es keinerlei Beweise gab, mit denen sie ihre Anschuldigung hätte untermauern können, wurde der Fall zu den Akten gelegt.
Aber das war nicht das Ende vom Lied gewesen. Danach hatte Anthony Howe Suzannes Angaben zufolge angefangen, ihr nachzustellen. Er stand nachts vor ihrer Wohnung, schickte ihr obszöne Kurznachrichten aufs Handy, hinterließ Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter oder rief an, ohne dann etwas zu sagen. Man war ihren Vorwürfen nachgegangen, aber die Sache war im Sande verlaufen.
»Suzanne Perry«, wiederholte Anni, »Studentin, vor zwei Jahren. Sagt dir das was?«
»Spontan nicht.« Anni hörte Verkehrslärm und Stimmen im Hintergrund. Jane Gosling war mit ihrer Aufmerksamkeit woanders. Anni würde ihr Gedächtnis ein bisschen anschubsen müssen.
Sie berichtete ihr kurz, was in den Akten stand. Die Anzeige wegen Belästigung, der Stalkingverdacht. »Fällt es dir jetzt wieder ein?«
»Eine Studentin …«, sagte Jane gedehnt. »War das die aus der Maldon Road?«
»Ja, das ist sie. Ein Dozent hat ihr angeblich nachgestellt. Anthony Howe.«
»Genau. Nur dass er gar nichts gemacht hat.«
Annis Neugier war geweckt. »Wirklich?«
»Ja. Warte, lass mich mal kurz …« Eine Pause, während sie sich erinnerte. »Obszöne Anrufe, nicht wahr? SMS und so weiter?«
»So steht es hier in der Akte, ja.«
»Aber es gab gar keine. Wir haben ihr Telefon überprüft. Keine Anrufe. Ihr Handy. Keine Textnachrichten. Sie hat behauptet, sie hätte sie gelöscht, weil sie nicht mehr dran denken wollte. Mit dem AB war es dasselbe. Der Dozent hat gemeint, sie hätte von Anfang an in seinem Seminar nur Ärger gemacht. Sie hätte Angst gehabt durchzufallen und sich deshalb die ganze Geschichte ausgedacht, um eine bessere Note zu erpressen. Er war außer sich vor Wut, wollte sie sogar wegen Verleumdung verklagen, falls sie die Anschuldigungen nicht zurückzog. Das war’s dann, weiter haben wir nichts von ihr gehört.«
»Glaubst du, sie hat sich das wirklich alles nur ausgedacht?«
»Wenn du mich fragst, ja. Ich hatte das Gefühl, es war eine Affäre, die unschön zu Ende gegangen ist, und sie wollte sich rächen.«
»Hat sie damals zufällig ihren Freund erwähnt? Mark Turner?«
Jane Gosling schnaubte ungehalten. »Das ist zwei Jahre her, Anni. Ich kann mich kaum noch dran erinnern, was ich gestern zu Abend gegessen habe.«
Beide lachten.
»Ist sie also wieder aufgetaucht, was?«, wollte Jane wissen.
»Wieder ein Stalker. Diesmal war er in ihrer Wohnung.«
Erneut lachte Jane. »Na, viel Glück dann. Also ein zweiter Stalker? Hat Oscar Wilde
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