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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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lachte Rose, und Anni lachte mit, wenn auch eher aus Erleichterung. Sie kannte Rose Martin noch nicht lange, fand sie aber schon jetzt ziemlich anstrengend.
    »Also, noch mal: Es tut mir leid. Entschuldigung angenommen?«
    Rose nickte und lächelte.
    »Und? Wie ist es gestern Abend gelaufen? Irgendwas Wichtiges?«
    Rose zuckte die Achseln. »Er ist ein bisschen schräg. Typischer Student eben. Ziemlich verkopft. Ich glaube nicht, dass er ein ernstzunehmender Verdächtiger ist.«
    »Wieso nicht?«
    »Na ja, zum einen hat er eine Freundin, die ihm ein Alibi für die Nacht geben kann, in der Suzanne Perrys Aussage zufolge der Eindringling in ihrer Wohnung war, und zum anderen …« Sie vollendete den Satz nicht.
    »Ja?«
    Rose lächelte. »Er ist froh, dass er sie los ist.«
    Anni runzelte die Stirn.
    »Im Ernst. Ich musste ihn regelrecht dazu drängen, sich danach zu erkundigen, ob es ihr gutgeht. Klingt für mich so, als hätte er mit ihr abgeschlossen. Kein Verlust, wenn Sie mich fragen, sie kann wirklich was Besseres an Land ziehen als den.«
    »Hoffen wir, dass sie die Chance dazu bekommt.«
    Rose lief rot an. »Das war nicht so –«
    »Ich weiß.«
    »Wenn Sie meinen, dass es nötig ist, können wir ihn gerne noch mal befragen, aber meiner Meinung nach …« Wieder hob sie die Schultern.
    »… hat das keine Priorität.«
    »Genau.«
    Mit diesen Informationen ausgestattet und in der Hoffnung, eine neue Verbündete gewonnen zu haben, hatte Anni sich auf den Weg zum Logopädiezentrum des Colchester General Hospital gemacht.
    Die übrigen Therapeuten wurden von Uniformierten vernommen, aber als Ranghöchste hatte Anni die Befragung von Hazel Mills persönlich übernommen.
    Mills war eine zierliche Frau Ende vierzig mit kurzgeschnittenem, angegrautem Haar. Sie trug eine streng geschnittene Streifenbluse, Leinenhosen und dezentes Make-up. Sie hatte einen wachen Blick und scharfe Züge – zumindest normalerweise. An diesem Tag allerdings waren ihre Augen wässrig und ihr Gesicht verquollen.
    »Es tut mir sehr leid«, sagte Anni. Sie hasste diesen Teil ihrer Arbeit. Mit ansehen zu müssen, wie die sorgsam errichteten Welten ganz normaler, unschuldiger Leute mir nichts, dir nichts in sich zusammenstürzten. In solchen Situationen erinnerte sie sich immer an das Shakespeare-Stück, das sie in der Schule gelesen hatten: Macbeth . An Banquo, der nach seinem gewaltsamen Tod als Geist bei Macbeths Festmahl auftaucht. Er erinnerte daran, dass die Menschen sich noch so sehr bemühen konnten, das Unangenehme zu verdrängen und unbekümmert ihr Leben zu leben, ihre Träume zu träumen, ihre Sehnsüchte und Leidenschaften und Wünsche zu pflegen. Im Zweifelsfall war das alles ohne Bedeutung, weil es einem ganz schnell wieder weggenommen werden konnte. Einfach so, völlig wahllos. Wo eben noch eine Kollegin, Freundin oder Geliebte gewesen war, war jetzt eine Leere. Ein Schmerz. Und die bittere Erkenntnis: Eines Tages wird mich dasselbe Schicksal treffen. Eines Tages wird es eine Welt ohne mich geben .
    Falls Hazel Mills diesen Gedanken bis jetzt noch nicht gehabt hatte, würde es nicht mehr lange dauern.
    »Es tut mir leid«, sagte Anni erneut.
    Hazel Mills nickte mechanisch, schien sie jedoch gar nicht wirklich zu hören. Sie streckte die Hand nach einer Schachtel mit Taschentüchern aus, die auf ihrem Schreibtisch stand, und zog erst eins heraus, dann ein zweites. Sie presste sich die Papiertücher auf die Augen und ließ sie eine Weile dort.
    Anni wartete, bis Hazel Mills sie wieder anblickte. »Es ging sehr schnell«, sagte sie. »Bei Zoe. Sie hat nicht gelitten.«
    Hazel Mills nickte noch einmal. »Weiß … haben Sie es ihrem Freund schon gesagt?«
    »Ein Kollege ist bei ihm.«
    »Und, und … Suzanne?«
    »Wir wissen es nicht. Noch nicht. Aber wir tun alles, um sie zu finden.«
    Wieder ein Nicken, und erneut wusste Anni nicht, ob die Frau sie gehört hatte. Sie versuchte, Blickkontakt herzustellen.
    »Dazu brauchen wir allerdings Ihre Hilfe. Würde es Ihnen was ausmachen, mir ein paar Fragen zu beantworten?« Anni warf einen Blick auf Hazel Mills’ Hände, sah keinen Ehering. »… Ms Mills?«
    »Natürlich nicht.« Mills putzte sich die Nase, blinzelte die Tränen weg, holte tief Luft und setzte sich gerade hin. Ihr ganzer Körper schien aufs Äußerste angespannt.
    Anni schaute auf ihre Notizen. »Wussten Sie, dass Suzanne Ärger mit einem Stalker hatte?«
    Hazel Mills dachte nach. Anni hatte den Eindruck, dass sie

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