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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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abgelegt wurde, mit gespreizten Beinen auf dem Deck, der Mast des Schiffs dazwischen – damit sendet er uns die unzweideutige Botschaft, dass es sich bei ihm um einen Sexualmörder handelt.«
    »Und ich dachte, das erkennt man an den verstümmelten Genitalien und daran, dass er dem Opfer das Wort Hure in die Stirn geritzt hat.«
    Auch diesmal stieg sie nicht auf seinen Tonfall ein, sondern nickte bloß. »Das auch, sicher.«
    »Falls es sich bei dem Opfer um Julie Miller handelt, was immer wahrscheinlicher wird – würden Sie sagen, dass es eine besondere Bedeutung hat, dass der Täter ihre Leiche ausgerechnet auf dem Feuerschiff abgelegt hat, in Sichtweite ihrer Wohnung?«
    Fiona schien etwas erwidern zu wollen, hielt sich dann aber zurück. Ihr Blick streifte kurz Phils Gesicht, bevor sie antwortete. »Ich denke schon, ja.« Sie lächelte. »Man könnte es auch so interpretieren, dass der Mast des Feuerschiffs auf Julie Millers Wohnung zeigt. Als wollte er sie anklagen.«
    »Anklagen? Wieso denn?«
    Erneut ein dünnes Lächeln. »Ich weiß es nicht. Wir werden sehen, nicht wahr?« Sie zuckte mit den Achseln. »Oder auch nicht.«
    Phil spürte, wie Wut in ihm hochkochte. Es war eine Zumutung, mit jemandem wie ihr arbeiten zu müssen. Einer karrieregeilen kleinen Dilettantin, die von nichts eine Ahnung hatte, sondern sich bloß einen Namen machen wollte. Und das bei einem so wichtigen Fall. Er wollte einen Profiler, dessen Meinung er respektieren konnte, dessen Argumente stimmig waren und der seine Thesen anhand transparenter, empirisch erprobter Methoden aufstellte. Er wollte –
    Marina.
    Er seufzte.
    »Geht es Ihnen gut?«
    Auf einmal stand Fiona Welch ganz dicht vor ihm. Ihre Hand schwebte vor seinem Gesicht, als wolle sie ihn berühren, sei aber unsicher, wie er darauf reagieren würde. Sie sah ihn mit großen besorgten Augen an.
    »Ich … es ist alles in Ordnung«, sagte er hastig, und ihre Blicke trafen sich. Ja, er konnte Besorgnis erkennen. Aber war da nicht noch etwas anderes? Oder bildete er sich das bloß ein?
    Er rückte ein Stück von ihr ab, merkte aber, wie ihr Blick ihm folgte.
    »Sind Sie sicher?« Ihre Stimme war jetzt tiefer, fast heiser.
    »Ja.« Er wandte sich zum Fenster. »Ich bin sicher.«
    Sie sah ihn immer noch an, er spürte es ganz genau.
    »Sie sehen müde aus.« Schon wieder war sie neben ihm. Er spürte die Wärme ihrer Haut, ihren nackten Arm, der seinen Jackenärmel streifte. Sie streckte die Hand aus und legte sie auf seine. »Stimmt das? Sind Sie müde?«
    »Wir sollten uns auch den Rest der Wohnung ansehen«, sagte er, trat vom Fenster weg und ging in die Mitte des Raums. Er wusste, dass sie ihn immer noch beobachtete, riskierte aber trotzdem einen unauffälligen Blick.
    Fiona Welch hatte den Kopf gesenkt. Dann sah sie plötzlich auf, merkte, dass er sie musterte, und schaute sofort wieder weg.
    »Es tut mir leid«, murmelte sie, nun wieder mit ihrem dünnen Vogelstimmchen. »Ich war nur … wir hatten nicht den allerbesten Start. Ich wollte bloß helfen.«
    Phil sah sie an. Sie stand am Fenster und schien sich gar nicht bewusst zu sein, dass ihr dünnes Sommerkleid gegen die Sonne fast durchsichtig war. Ihr Gesicht lag im Schatten, aber ihre Körperkonturen zeichneten sich deutlich sichtbar im Gegenlicht ab: die Kurve ihrer Hüften, die kleinen Brüste, die schmale Taille …
    Sie seufzte und kam auf ihn zu. Ihr Gang war weich und fließend. Wieder blieb sie dicht bei ihm stehen.
    Phil sah sie fragend an.
    Sie schaute auf ihre Armbanduhr.
    »Na, dann sehe ich mich jetzt mal besser um«, meinte sie und ließ die Hand sinken. »Vielleicht finde ich ja irgendwas, das mir bei meinem Profil helfen kann.« Sie trat an ihm vorbei. »Das da hinten ist das Schlafzimmer, richtig?«
    »Genau, durch die Tür und dann –«
    Doch sie war bereits verschwunden.
    Phil sah ihr verdattert nach. Was um alles in der Welt war das denn gerade für ein Auftritt gewesen? Hatte sie sich wirklich Sorgen um ihn gemacht? War das ein Friedensangebot gewesen? Oder eine Anmache? Und falls ja, wäre er darauf eingestiegen? Irgendetwas hatte sie in ihm ausgelöst, das ließ sich nicht leugnen, auch wenn er das, was er bis jetzt von ihr gesehen hatte, weiß Gott nicht mochte. Lag es daran, dass Gegensätze sich anzogen? Oder steckte mehr dahinter? Nein. Nicht mehr, sondern weniger, weil er sich die ganze Sache nur eingebildet hatte. Oder?
    Er seufzte matt und warf ebenfalls einen Blick auf die Uhr.

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