Der Stalker
genau beobachtete.
Fenwick fuhr fort. »Sie wollten uns ja auch noch Ihr Profil vorstellen. Nun, das Wort gehört Ihnen.«
Nick Lines suchte sich einen freien Platz, und Fiona Welch stand auf, ordnete ihre Unterlagen zu einem säuberlichen Stapel und ging – oder vielmehr: tänzelte – zum Whiteboard. Sie wirkte wie unter Hochspannung. Eine X Factor -Kandidatin kurz vor ihrem alles entscheidenden Auftritt.
»Also«, begann sie. Man konnte erkennen, dass sie sich um einen ernsten, nüchternen Tonfall bemühte. Trotzdem wollte es ihr nicht ganz gelingen, die Erregung in ihrer Stimme zu kontrollieren. »Zunächst muss ich mich dafür entschuldigen, dass mein Profil ein wenig mit der heißen Nadel gestrickt ist, aber wie Ben vorhin ja sagte: Die Uhr tickt.«
An dieser Stelle setzte sie eine dramatische Pause, um sicherzugehen, dass auch alle ihr zuhörten.
»Auf der Basis der Berichte, der vorhandenen Beweise, des Fundorts der Leiche und der Wohnungen der Opfer, die ich besichtigt habe, würde ich sagen, dass es sich bei dem Täter um einen sexuellen Sadisten handelt.«
Phil verdrehte die Augen, und es war ihm egal, ob sie es mitbekam.
Sie bekam es mit und warf ihm einen scharfen Blick zu, bevor sie fortfuhr. »Ein sexueller Sadist. Ein Raubtier. Das Töten erregt ihn.«
»Ich glaube, so weit waren wir vorher auch schon«, merkte Phil an.
Fiona errötete. Fenwick drehte sich verärgert zu ihm um. »Phil, bitte.«
Doch Phil konnte nicht an sich halten. »Lassen Sie mich raten: Er ist weiß, zwischen zwanzig und vierzig, lebt allein, und es fällt ihm schwer, Beziehungen einzugehen?«
Fenwick verstand in dieser Sache keinen Spaß. »Phil. Entweder Sie hören zu, oder Sie gehen.«
Phil wurde sich bewusst, dass die anderen ihn fragend ansahen. Seine Untergebenen. Sein Team. Er war auf ihren Respekt angewiesen, und sie auf seine Führungsstärke. Er musste sich zusammenreißen.
»Tut mir leid«, sagte er und hob entschuldigend die Hand.
Fiona fuhr fort. »Er arbeitet allein. Er lässt niemanden an seinen Phantasien, seinen Mordszenarien teilhaben. Er will vollständige Kontrolle.« Sie beugte sich ein Stück nach vorn, und die Augen hinter ihren Brillengläsern wurden groß. »Aber gerade das ist unmöglich. Sobald die Erregung zu stark wird, verliert er die Beherrschung. Die Folter ist dabei lediglich eine Ersatzhandlung für den sexuellen Akt. Auf diese Weise erlebt er Lust. Nur so kann er loslassen, nur so kann er wahrhaft der sein, für den er sich hält.«
Phil beobachtete Fiona genau. Auch diesmal hatte sich ihr Verhalten radikal verändert, sobald sie zu reden angefangen hatte. Keine Spur mehr von ihrer mädchenhaften Schüchternheit. Sie sprach mit großer Eindringlichkeit, ihr Blick wanderte dabei durch den Raum, und sie gestikulierte heftig, als wolle sie ihre Worte für die anderen fühlbar machen.
»Er hat einen ganz speziellen Ort, an dem er seine Taten begeht und den niemand sonst kennt. Ein Ort, der ihm etwas bedeutet. Seine Kammer der Träume und Geheimnisse.«
»Wissen Sie zufällig auch die Adresse?«, fragte Phil.
Fenwick schoss ihm einen warnenden Blick zu.
»Schon gut«, sagte Fiona ruhig, »die Frage ist berechtigt. Die Antwort ist nein. Zumindest noch nicht. Ich hatte noch keine Zeit, ein geographisches Profil zu erstellen. Aber es gibt da noch was. Einen wichtigen Faktor in Bezug auf seine Persönlichkeit.«
Erneut hielt sie inne, um sicherzugehen, dass alle aufmerksam zuhörten.
»Er ist definitiv ein Soziopath.«
»Kein Psychopath?«, fragte Mickey.
»Nein. Er kann sich anpassen. Das ist der entscheidende Unterschied. Psychopathen können ihr Verhalten nicht steuern, sie tun, was sie tun müssen, und kümmern sich nicht um die Konsequenzen. Aber unser Täter ist anders. Er plant. Er weiß genau, was er tut. Er hat wahrscheinlich einen gutbezahlten Job, vielleicht ist er sogar verheiratet. Ein Soziopath kann seine Umwelt jahrelang täuschen.« Erneut sah sie sich im Raum um, und ein leises Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Einer von uns, hier in diesem Raum, könnte wie er sein, ohne dass seine Kollegen es jemals merken würden.«
»Nun ja«, meinte Nick Lines trocken. »Einige eher als andere.«
Phil musste grinsen.
»Und woran können wir ihn erkennen?«, wollte Anni wissen. »Wonach sollen wir Ausschau halten?«
Fiona konsultierte kurz ihre Aufzeichnungen, dann sah sie wieder in die Runde. »Sie hatten übrigens unrecht, Phil. Vieles, was Sie gesagt haben, war
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