Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
auf, jubelten und versprachen ihm, dass sie an diesem Tag viele Tausende töten und zu seiner Ehre ihre Herzen verzehren würden.
Dagnarus verstand sie. Tasgall beherrschte die Sprache der Taan nicht, und das war gut so, denn sonst wäre sein Vertrauen zu seinem König vielleicht erschüttert worden. Dagnarus sagte nichts, sondern zeigte nur abermals zur Stadtmitte, um den Taan klar zu machen, dass sie weiterhin vorgehen sollten wie geplant.
Der Rest der Krieger kam hinter ihren Anführern hereingestürzt. Sie drängten gierig vorwärts, stießen und drängelten, denn jeder fürchtete, dass der andere noch vor ihm Beute machen würde.
Die Stadt war still und scheinbar verlassen. Aber die Taan konnten die Xkes riechen, rochen das üppige Fleisch und das warme Blut. Die Menschen waren ganz in der Nähe, verbargen sich hinter den Mauern, wie sich das süße Fleisch der Zargnuss hinter ihrer Schale verbirgt.
Neu-Vinnengael war eine wohl überlegt angelegte Stadt, nicht eine, welche sich aus einem Dorf entwickelt hatte. Also waren die Straßen gerade und breit, nicht eng und gewunden. Wichtige Gebäude wie der Palast und der Tempel befanden sich in der Mitte, die Wohnbereiche in bestimmten Vierteln, Läden und Werkstätten in anderen, und es war sogar vorgeschrieben, wo sich bestimmte Geschäfte und Handwerke ansiedeln sollten. Die Gebäude in der Nähe des Tors beherbergten Läden für alle, welche die Stadt betraten. Hier konnte ein Besucher alles erwerben, was er wollte, angefangen von Landkarten über schlau entworfene Beutel, die einen garantiert gegen Taschendiebe schützten, bis hin zu kandiertem Ingwer für die Süßmäuler. Diese Läden standen nun leer, denn der Plan bestand darin, die Taan tiefer in die Stadt hineinzulocken. Die ersten Taan, die diese Gebäude erreichten, traten die Türen ein und stürzten in die Häuser. Als sie nichts Wertvolles fanden, rannten sie angewidert wieder auf die Straße hinaus.
Immer mehr Taan eilten in die Stadt hinein, eine Flut von Geschöpfen, die sich bald in alle Straßen ausbreitete. Tasgall wartete angespannt auf die ersten Kampfgeräusche. Das war der kritischste Augenblick. So viele Taan wie möglich mussten ins Herz der Stadt gelockt werden.
»Ich fürchte, Euer Majestät, sobald der Kampf beginnt, werden die Taan begreifen, dass sie in eine Falle gegangen sind, und sie werden fliehen«, sagte Tasgall.
Dagnarus lachte. »Das ist vollkommen unmöglich. Ein Taankrieger, der aus der Schlacht flieht, verliert seine Ehre. Der Stamm würde ihm seinen gesamten Besitz nehmen, ihn foltern und töten. Ihm würde nicht gestattet, nach dem Tod weiterzuleben. Seine Seele würde von der Leere verschlungen. Nein, ich garantiere, dass das nicht passieren wird.«
»Selbst wenn sie wissen, dass es eine Falle ist?«, fragte Tasgall.
»Besonders dann«, erklärte Dagnarus lässig. »Je hoffnungsloser der Kampf ist, desto größer der Ruhm.«
Stimmen erklangen in Tasgalls Kopf; die Kriegsmagier setzten sich durch Magie mit ihm in Verbindung und teilten ihm mit, was sie sahen. Man hatte den Taankriegern erlaubt, den Nizam vorauszueilen, und nun rannten sie durch die Hauptstraßen und wurden immer wütender, weil sich ihnen niemand entgegenstellte. Einige traten Türen ein und rissen die Läden von den Fenstern. In mehreren Gebäuden befanden sich Bogenschützen, welche die Pfeile schon aufgelegt hatten, und Soldaten mit Schwertern gaben ihnen Deckung.
Die Nizam verteilten sich, schlossen sich der Plünderei an und nahmen dabei offenbar keine Führerrolle ein – jedenfalls nicht, soweit die Magier es erkennen konnten. Die Schamanen vom Schwarzen Schleier blieben zusammen, und es kam denen, welche zusahen, so vor, als würden sie langsam unruhig. Sie drängten sich zu einem Gespräch zusammen und achteten dabei nicht weiter auf die anderen Taan, welche um sie herumrannten. Tasgall berichtete all das Dagnarus, der nickte und sagte: »Haltet Euch bereit. Es ist noch nicht so weit.«
Als Letzte kamen die Arbeiter herein, hielten kleine Kinder an der Hand und trugen die jüngsten auf dem Rücken. Tasgall schaute auf die Taankinder nieder, die herumhüpften und tanzten und lachten, wie es alle Kinder an einem Ferientag tun. Er hatte nicht daran gedacht, dass sie vielleicht auch Kinder töten müssten. Er sagte sich, dass diese Kinder zu wilden Geschöpfen aufwachsen würden, aber er hatte immer noch etwas dagegen, Wesen zu töten, die schwächer waren als er, sich nicht wehren konnten
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