Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
haben.«
»Mein Kind?«, fragte R'lt.
»Dein Kind«, bestätigte Dag-ruk.
R'lt betrachtete sie misstrauisch. Er traute ihr nicht. Sie log und versuchte nur, ihn friedlich zu stimmen. Aber er sah auch, dass sie ihn fürchtete, und das freute ihn. Sie würde ihm ein Kind gebären. Dafür würde er schon sorgen. Er wagte es nicht, sie jetzt anzurühren, aber der Tag würde kommen, an dem sie genügend gedemütigt wäre, ihn willig als ihren Gefährten anzunehmen.
Sie glaubte offensichtlich, dass sie gewonnen hatte, also verabschiedete er sich und verließ ihr Zelt. Er sprach leise ein paar magische Worte und kleidete sich in Schatten, so dass er eins wurde mit der hereinbrechenden Nacht. So verborgen, blieb er in der Nähe von Dag-ruks Zelt, und tatsächlich brauchte er nicht lange zu warten. Sie kam aus dem Zelt und schrie laut nach Ga-tak, einem der Krieger.
Der Ruf wurde weitergegeben, und schon bald eilte Ga-tak zu ihr.
»Ich habe einen Auftrag für dich, Ga-tak«, sagte Dag-ruk.
Der Krieger nickte und sah sie mit blitzenden Augen an.
»Du kennst die Halbtaan Dur-zor?«
Ga-tak zögerte, denn er wollte lieber nichts zugeben.
»Du weißt, wen ich meine«, knurrte Dag-ruk. »Ich möchte, dass du sie tötest.«
»Ja, Nizam«, antwortete Ga-tak und wäre sofort davongestürmt, wenn sie ihn nicht aufgehalten hätte.
»Nicht jetzt, du Grolt! Du musst geschickt vorgehen. Ich will nicht, dass R'b etwas davon erfährt. Er macht sonst vielleicht Ärger bei K'let. Du wirst es tun, wenn er Dienst beim Kylsarnz hat. Du wirst Dur-zor weit von hier wegbringen, sie töten und ihre Leiche so verbergen, dass sie nie gefunden wird. Dann werde ich R'b sagen, dass sie weggelaufen ist. Verstehst du?«
»Ja, Nizam«, sagte Ga-tak.
»Gut. Und jetzt verschwinde. Lass es mich wissen, wenn du es getan hast.«
Dag-ruk zog sich wieder ins Zelt zurück. Ga-tak verschwand, erfreut über diesen Auftrag. R'lt blieb noch eine Weile, aber Dag-ruk verließ ihr Zelt nicht mehr, und sie rief auch niemanden mehr zu sich. Er ging schließlich, denn er musste nun darüber nachdenken, was er selbst unternehmen sollte.
Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, schlief der Schamane Derl noch, als er zu K'let gerufen wurde. Jeder andere Taan, der während der Arbeitsstunden schlafend aufgefunden wurde, wäre mit Flüchen und Steinwürfen aus dem Stamm vertrieben worden, aber Derl war nicht in Gefahr. Er war der mächtigste Zauberer der Leere, welcher Loerem je betreten hatte, und wurde kaum weniger verehrt als K'let, der Gottberührte, und ebenso gefürchtet. Derl verbrachte einen großen Teil seiner Zeit schlafend. Er hatte zwar sein Leben mit Hilfe von Magie der Leere verlängert, war aber nicht im Stande gewesen, auch die Vitalität der Jugend zu bewahren. Er war ein uralter Taan. Er hatte so lange gelebt, dass er vergessen hatte, wie alt er war. Sein Körper war gebrechlich, und Derl war dazu gezwungen, seine Kraft gut einzuteilen. Er wusste, dass bald Zeiten anbrechen würden, in denen er seine Kraft brauchte. Derl hatte den Alten Göttern, Ilthizz, Dekthzar und Lokmirr und besonders Rivalt, seiner Schutzgöttin, geschworen, dass er lange genug leben würde, um Dagnarus vernichtet zu sehen und damit den Taan zu beweisen, dass dieser Xkes kein Gott war.
Derls Haar war schon seit langem weiß, seine Haut fleckig grau. Er schlief dieser Tage mehr, als er wach war, aber wenn er wach war, funkelte sein Geist so scharf und geschliffen wie die Klingen eines Sut-tum-olt. Die junge Schamanin berührte Derl an der Schulter.
»K'let hat nach dir geschickt, Meister«, sagte die Schülerin ehrfürchtig.
Derl blinzelte ins helle Tageslicht, dann erhob er sich unter Schmerzen aus dem Bett. Die junge Schamanin half, indem sie die Muskeln des alten Taan massierte, um die Durchblutung zu fördern.
»Etwas ist geschehen«, sagte Derl. Er warf der jungen Taan einen scharfen Blick zu und bemerkte, wie unruhig sie war.
»Was ist los? Werden wir angegriffen?«
»Nein, Meister«, erwiderte die junge Schamanin. »Aber du hast Recht. Etwas Schreckliches ist geschehen. Hast du…« Sie zögerte. »Hast du K'let nicht gehört?«
»Du weißt doch, dass ich auf einem Ohr taub bin«, erwiderte er gereizt. »Ich habe nichts gehört. Was ist mit K'let? Was hat er gesagt?«
»Er hat nichts gesagt, Meister«, erwiderte die Schamanin in ehrfurchtsvollem Flüsterton. »Er hat nur einen schrecklichen Schrei ausgestoßen, der jedem bis ins Herz drang. Einen Schrei, der
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