Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
wie ein Messer die Seile durchschnitt. »Sei bereit.«
»Um was zu tun?«, fragte Ulaf leise.
»Kämpfen, wenn du willst«, antwortete die flüsternde Stimme. »Fliehen, wenn du nicht kämpfen willst.«
Ulaf zog die Arme aus den Seilen und bewegte sich dabei sehr vorsichtig, um nicht die Aufmerksamkeit der Taan zu erregen. Er warf einen Blick über die Schulter und sah einen
Zwerg
mit einem Messer in der Hand, der im Dunkeln zu Jessan schlüpfte.
»Gut, dich wieder zu sehen, Junge«, sagte der Zwerg und zerschnitt Jessans Fesseln.
»Wolfram?« Jessan versuchte, sich umzudrehen, um ihn anzustarren.
»Schau nach vorn, du dummer Trevinici«, zischte Wolfram gereizt. »Verrate mich nicht.«
Jessan tat, was der Zwerg ihm sagte. Er warf Ulaf einen Seitenblick zu, weil er wissen wollte, ob der eine Erklärung hatte.
Ulaf schüttelte den Kopf. Er richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf seinen Zauber. Er wusste nicht, was der Zwerg vorhatte, aber er war bereit.
Wolfram wagte es nicht, zu der Großmutter und dem Kind zu schleichen, die weiter vorn lagen. Er blieb zwischen den Bäumen in der Nähe und beobachtete sie.
»Zwerg!«, zischte Ulaf. »Wie viele sind bei dir?«
»Nur noch eine«, sagte Wolfram.
Ulaf verlor alle Hoffnung. Er hatte auf eine Armee gehofft, und selbst die hätte vielleicht nicht genügt, um die beiden Vrykyl aufzuhalten, die immer noch einander gegenüberstanden.
»Drohe mir nicht mit Dagnarus, Shakur«, sagte K'let. »Er kann mich nicht berühren. Und das sollte dir eigentlich etwas sagen, Shakur. Du kannst so frei von ihm sein, wie ich es bin. Tu nicht so, als hättest du nie davon geträumt. Ich kenne deine Gedanken, Shakur. Ich spüre sie durch das Blutmesser. Ich weiß, wie sehr du ihn hasst …«
Gleißendes Licht erhellte die Dunkelheit der Leere. Vrykyl, Taan und Gefangene starrten wie vom Donner gerührt nach oben und sahen, wie die Baumwipfel in Flammen aufgingen. Das Feuer brachte rote Schuppen zum Glitzern. Die riesigen Flügel eines Drachen fachten die Flammen an. Zwei dunkle Augen starrten auf sie nieder. Das Feuerlicht schimmerte auf scharfen Zähnen und glitzerte auf dem Kamm des riesigen Wesens.
Ulaf bemerkte plötzlich, dass etwas an ihm vorbeihuschte. Er glaubte, Wolfram zu erkennen, aber wenn das der Fall war, dann trug Wolfram nun schimmerndes Silber.
Der Zwerg in der Silberrüstung packte die Großmutter und das Zwergenkind, klemmte sie sich unter die Arme, drehte sich um und floh zurück in den Schatten der Bäume. Ulaf begann mit dem Zauber. Jessan warf die Fesseln ab und stürzte sich in den Kampf.
Tash-ket war der Erste, der sich von dem Schock erholte. Er griff nach einem Speer und zielte auf den fliehenden Zwerg. Ulaf wirkte den Zauber. Der Boden bockte unter Tash-kets Füßen. Er warf den Speer, aber der verfehlte das Ziel um mehrere Fuß. Der Taan verlor das Gleichgewicht, und dann war Jessan über ihm. Er riss den Kopf des Taan an den Haaren zurück und brach ihm das Genick.
Mit der Hilfe von Möwen und verschiedenen anderen Vögeln und kleinen Tieren hatten Wolfram und Ranessa die Taan, welche den Stein der Könige aus Saumel gestohlen hatten, quer durch Vinnengael verfolgen können, bis sie sie schließlich am Rand der Stadt Mardurar eingeholt hatten.
Ranessa war dafür gewesen, sich sofort auf sie zu stürzen und sie einfach alle zu töten. Wolfram hatte sie barsch daran erinnert, dass sie nicht alle töten wollten. Sie mussten an die Sicherheit des Zwergenkindes denken. Er hatte das Taanlager ausgekundschaftet und gehofft, sich mit dem Kind davonschleichen zu können, sobald alle schliefen. Aber die Taan stellten stets Wachen auf, und nie schlief einer auf dem Posten ein.
Er musste sich eine Möglichkeit ausdenken, Fenella zu retten, aber die Taan beobachteten sie und den Stein der Könige Tag und Nacht. Obwohl er ein Paladin war, magische Kräfte und eine wunderbare Rüstung besaß, hatte Wolfram nicht vor, die Taan allein anzugreifen. Die Götter hatten die Waffen vielleicht gesegnet, aber sie konnten die Hand nicht führen, welche sie schwang. Er kannte sich kaum mit Kämpfen aus; es reichte gerade, um sich aus einer Schlägerei herauszuwinden. Er brauchte den Taan nur dabei zuzuschauen, wie sie bei ihren täglichen Übungen mit den Waffen umgingen, um zu wissen, dass er niemals gegen sie ankommen würde. Selbstverständlich konnte er Ranessa auf sie loslassen, aber dann gab es keine Garantie, dass irgendwer, er selbst eingeschlossen, lebendig
Weitere Kostenlose Bücher