Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
können. »Genau. Das bin ich. Kill Sarntz. Merkt euch diesen Namen.« Er wies mit dem Dolch auf den Tunnel, der zum Tempel führte. »Geht dort entlang. Kill Sarntz befiehlt es.«
Die Klinge glitzerte im Licht. Die Taan wichen zurück und verbeugten sich tief.
»Nisst, Kyl-sarnz«, sagte der Anführer ehrfürchtig. »Nisst, Kyl-sarnz.«
Er schloss sich wieder seiner Gruppe an, dann wies er mit Kinn und Daumen in die Richtung, in welche Shadamehr gezeigt hatte. Alle fünf Taan verbeugten sich abermals tief und wiederholten immer wieder »Kyl-sarnz«. Dann drehten sie sich rasch um und eilten den befohlenen Tunnel entlang.
»Da soll mich doch…«, sagte Shadamehr.
Er hatte keine Ahnung, was los war, aber er plante auch nicht, zu bleiben und es herauszufinden. Er hob Alise wieder hoch und eilte den Tunnel entlang, der zum Fluss führte. Seine Schmerzen waren verschwunden. Nie hatte er sich so stark gefühlt.
»Angst, die einen fast in die Hosen machen lässt, ist ein gutes Stärkungsmittel«, sagte er zu Alise. »Jemand sollte sie auf Flaschen ziehen und verkaufen.«
Die wunderbar stärkende Wirkung der Angst trug Shadamehr direkt zum Ende des Kanals. Dort blockierte normalerweise ein riesiges Eisengitter den Ausgang. Man hatte das Tor an dieser Stelle installiert, um zu verhindern, dass ein Feind genau das tat, was die Taan gerade geschafft hatten – nämlich durch den Kanal in die Stadt eindringen.
Das schwere Eisentor, das mindestens drei starke Männer heben mussten, war mit roher Gewalt aus den Angeln gerissen und beiseite geschleudert worden. Shadamehr musste sofort an die muskulösen Arme der Taan denken. Dann dachte er an sich selbst, wie er dort gestanden hatte, mit einem Messer und einem Stein.
»Shadamehr«, sagte er zu sich selbst. »Da hast du aber wirklich Schwein gehabt.«
Etwa drei Fuß vom Ausgang des Tunnels entfernt floss dunkel und träge der Arven. Aber es gab noch einen anderen Ausgang als den, welcher direkt in den Fluss führte: Ein Wartungsschacht mit einer Leiter führte vom Gang aus nach oben. Abfall, der zu sperrig war, um durch das Gitter gespült zu werden, hatte sich dort aufgestaut. Shadamehr bemühte sich, nicht allzu genau hinzusehen. Er ließ das Licht der Laterne zum Tunnelende wandern und konnte nasse Fußabdrücke erkennen, die von einem grob gezimmerten Boot weg führten, das man auf das schmale Steinsims gezogen hatte, mit dem der Tunnel endete. Er erinnerte sich daran, dass Rigiswald ihm erzählt hatte, Taan hätten Angst vor Wasser.
»Hah!«, schnaubte Shadamehr. »So viel also zu dieser Theorie. Ich möchte gern sein Gesicht sehen, wenn er das erfährt. Immerhin habe ich nicht jeden Tag die Gelegenheit, dem alten Mann einen Irrtum nachzuweisen. Und jetzt, meine Liebe, müssen wir irgendwie diese Leiter hinaufkommen.«
Er hielt am Boden inne und fragte sich, ob er es schaffen könnte. Immerhin gab es hier wenigstens frische Luft. Er atmete mehrmals tief ein, dann packte er Alise fest und setzte den Fuß auf die erste Leitersprosse.
»›Der edle Ritter gürtet sein Gewand und steigt am Haar der schönen Maid entlang den Turm hinauf‹«, zitierte er leise aus der alten Heldengeschichte und versuchte dabei, nicht auf die Schmerzen in seinen Beinen zu achten. »Ich habe mich immer gefragt, ob er das Gewand gegürtet hat, damit es ihm nicht beim Klettern in den Weg gerät.«
Er hielt inne, biss sich auf die Lippe und holte noch einmal tief Luft. Schweiß strömte ihm übers Gesicht. Seine Arme zitterten, und seine Beine brannten. Er konnte das obere Ende sehen, aber es schien so weit entfernt zu sein wie der Mond. Nein, vielleicht noch weiter.
»Aber Gewand hin, Gürtel her, ein bisschen Haar, um mich dran hochzuziehen, wäre keine schlechte Idee«, murmelte er. »Ich frage mich, ob diesem edlen Ritter seine Kletterpartie auch so schwer gefallen ist. Selbstverständlich wusste er, dass am anderen Ende die schöne Maid auf ihn wartete, und musste sie nicht selbst eine Leiter raufschleppen, also hatte er es vermutlich viel einfacher.«
Er erreichte die Öffnung und stellte fest, dass sie immer noch von einer Eisenplatte bedeckt war, damit niemand in den Schacht fiel und sich den Hals brach. Die beiden kleinen Jungen, die vor so vielen Jahren hier Ratten gejagt hatten, hatten die Eisenplatte leicht anheben und darunter hindurchkriechen können. Shadamehr hoffte aus ganzem Herzen, dass inzwischen kein entschlossener Beamter befohlen hatte, die Platte mit Bolzen an
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