Der sterbende Detektiv - Roman
beste Stelle, wenn es bluten soll, ohne dass man jemanden gleich totschlägt«, meinte Max und zuckte mit den Achseln. »Hätte ich ihm einen Kinnhaken versetzt oder eine auf die Schläfe verpasst, dann hätte er ja sterben können. Schädelbruch, ohne dass es auch nur angefangen hätte zu bluten.«
»Und mehr haben Sie nicht getan?«, fragte Johansson. Rücksichtsvoll ist er auch noch, dachte er.
»Nein«, sagte Max. »Dann bin ich einfach weggefahren.«
»Ich hoffe wirklich, dass er noch lebt«, sagte Johansson.
»Natürlich tut er das«, meinte Max. »An ein wenig Nasenbluten ist noch niemand gestorben.«
»Nein«, erwiderte Johansson. »Und eine andere Möglichkeit haben Sie nicht gesehen?«
»Nein«, antwortete Max. »Ich konnte schlecht in die Pizzeria gehen und ihm dort eine reinhauen. Eine Menge Zeugen und so. Ich hoffe wirklich, dass Sie mir nicht böse sind, Chef.«
»Nein«, meinte Johansson. »Leider bin ich wohl nicht böse auf Sie. Wenn es sich jetzt wirklich so zugetragen hat, wie Sie sagen.« Und ich kenne mindestens zwei Leute, die dich dafür sofort adoptieren würden, dachte er.
»Sie können ganz beruhigt sein, Chef«, sagte Max. »Ich lüge nicht. Nur schlechte Menschen lügen. Ich habe noch nie lügen müssen.«
Nein, dachte Johansson. Warum auch.
»Noch eine Frage«, sagte Johansson. »Haben Sie immer eine Papierserviette in der Jackentasche?«
»Immer«, antwortete Max. »Falls ich mir die Nase putzen muss oder so. Haben Sie noch weitere Fragen, Chef?«
»Nein«, sagte Johansson. »Möglicherweise gibt es etwas, was ich sagen sollte.«
»Und das wäre?«
»Danke, Max«, sagte Johansson und nickte. »Ich danke Ihnen. Aber nächstes Mal, wenn Sie ein Problem für mich lösen, wäre es mir sehr recht, wenn Sie mich vorher um Erlaubnis bitten würden.«
»Natürlich«, erwiderte Max.
Ich muss Bo anrufen, dachte Johansson, der sich plötzlich unerklärlich ausgelassen fühlte, als hätte jemand das Band entfernt, das sonst immer über seiner Brust spannte und dafür sorgte, dass er manchmal kaum noch Luft bekam. Auch keine Kopfschmerzen mehr. Nur befreit. Endlich, dachte er.
82
Montag, 16. August 2010
Johansson hatte seinen Entschluss gefasst, noch ehe er am Vorabend eingeschlafen war. Die Sicherheitspolizei sollte sich um die praktischen Fragen kümmern. Man konnte über die Sicherheitspolizei denken, was man wollte, aber den Mund halten konnten sie. Wenn er Max’ blutige Serviette an einen seiner Kontakte bei der Kriminalpolizei schickte, dann würden die Zeitungen darüber berichten, noch ehe er die Resultate der Analyse erhalten hatte. Über die Folgen wollte er gar nicht erst nachdenken, das brauchte er auch nicht, da sie auf der Hand lagen.
Ich muss mit Lisa reden, dachte Johansson. Lisa Mattei war während seiner letzten zehn Jahre bei der Polizei seine jüngste und begabteste Mitarbeiterin gewesen. Sie hatte ihn von der Sicherheitspolizei zum Reichskriminalamt begleitet und war zur Sicherheitspolizei zurückgekehrt, als er in Pension gegangen war. Sie arbeitete mittlerweile als Polizeioberintendentin im Stab des Generaldirektors, obwohl sie erst fünfunddreißig Jahre alt war.
Montagmorgen sagte Johansson der Krankengymnastin ab und rief stattdessen Lisa Mattei an.
»Johansson«, sagte Johansson, als er sie am Apparat hatte.
»Lars«, sagte Lisa Mattei, »wie nett, dass du von dir hören lässt. Laut Dschungeltelegraf geht es dir zusehends besser.«
»Mir geht es gut«, erwiderte Johansson. Lars, dachte er. Was ist aus »Chef« geworden? Seit wann duzen wir uns plötzlich?
»Kann ich dir irgendwie helfen?« »Ja«, antwortete Johansson. »Zumal ich glaube, dass du die Einzige bist, die das kann. Eilig ist es auch.«
»Ich kann dich in einer Stunde treffen«, sagte Mattei. »Wie viel Zeit, glaubst du, brauchen wir?«
»Eine Viertelstunde«, antwortete Johansson. Die kleine Lisa ist groß geworden, dachte er, als er den Hörer auflegte.
Eine kühle, durchtrainierte Blondine, gut gekleidet, adrettes, angenehmes Aussehen. So ließe sich Lisa Mattei beschreiben, dachte Johansson, als er ihr Büro betrat. Offenbar war sie schwanger, nach der Rundung ihres Bauches zu urteilen. Jetzt ist sie wirklich groß geworden, dachte er.
»Lars«, sagte Lisa. »Es freut mich wirklich, dich zu sehen. Darf ich dich umarmen?«, fragte sie.
»Kein Problem«, antwortete Johansson und beugte sich vor, damit sie die Arme besser um seine Schultern legen konnte.
»Weißt du
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