Der sterbende Detektiv - Roman
hat.«
Was könne er über den zeitlichen Rahmen hinsichtlich der Vergewaltigung und des Mordes sagen?
Laut Sjöberg hatte sich alles Beschriebene kurz nach ihrem Verschwinden ereignet. Wahrscheinlich war sie noch am selben
Abend gestorben, am Freitag, den 14. Juni. Unter anderem ließe ihr Mageninhalt darauf schließen.
Und das Beseitigen der Leiche?
In diesem Punkt war die Unsicherheit größer. Sjöberg wagte die Mutmaßung, der Täter habe sich Yasmines Leiche in der darauffolgenden Nacht entledigt. Möglicherweise um Mitternacht herum, als es dunkel genug war, um nicht entdeckt zu werden, aber hell genug, um nicht zu stolpern, hinzufallen und sich während der Beseitigung der Leiche zu verletzen. Mitfühlend, wie er nun einmal gewesen sei.
25
Donnerstagnachmittag des 15. Juli 2010
»Sjöberg war ein richtig scharfer Hund«, stellte Jarnebring fest. »Aber der Kollege Bäckström geriet ihm leider nie unters Messer. Sjöberg, der Alte, ist vor zehn Jahren gestorben. Er war über neunzig und hat vermutlich bis zum Schluss auf Bäckström gehofft. Er versuchte auszuharren, aber es misslang ihm.«
»Das Problem mit Leuten wie Bäckström ist, dass die nie sterben«, sagte Johansson. »Aber egal. Erzähl mir lieber von Yasmine. War sie so ein fröhliches, kontaktsuchendes und vertrauensvolles kleines Mädchen, das auch schon mal mit Leuten mitging, die es nicht kannte?«
»Laut ihrer Eltern nicht«, sagte Jarnebring. »Sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater hatten wiederholte Male mit ihr darüber gesprochen, dass sie auf keinen Fall mit Leuten mitgehen dürfe, die sie nicht kenne. Sie sollte jeglichen Kontakt mit unbekannten Erwachsenen vermeiden, und das galt sowohl für Frauen als auch für Männer. Auch für andere Kinder und Jugendliche, wenn sie nicht wusste, wer diese waren und ob sie sich auf sie verlassen konnte. Außerdem soll sie für ihr Alter recht klug und reif gewesen sein, wohlerzogen, aber gleichzeitig energisch und mit einem ausgeprägten Willen. Sie war darüber hinaus ein hübsches Mädchen.
Ich habe einige Fotos von ihr beigelegt, die du dir ansehen kannst. Recht dunkelhäutig und große, braune Augen. Langes, schwarzes Haar. Gut in der Schule war sie auch. Alle in der Klasse mochten sie, sie war eine von denen, der viele Jungen in ihrem Alter gerne den Hof gemacht hätten. Sie nahm es auch mit ihrer Kleidung sehr genau. Recht kokett, könnte man wohl dazu sagen.«
»Laut ihrer Eltern, ja«, meinte Johansson.
»Ich verstehe, was du meinst«, sagte Jarnebring, »aber auch laut ihrer Lehrer und aller anderen, mit denen wir gesprochen haben und die sie kannten.«
»Vielleicht traf dies auch meistens zu«, meinte Johansson. »Aber das hier war kein normaler Abend. Erst rennt sie von ihrer Mutter weg. Und bei ihrem Vater ist abgeschlossen, er ist weg, obwohl er davon nichts gesagt hat. Außerdem hat sie ihren Schlüssel vergessen. Ein Telefon besaß sie nicht. Damals gab es ja noch keine Handys. Ich finde, diese Tatsachen eröffnen zumindest die Möglichkeit, dass sie sich anders verhielt, als sie es normalerweise getan hätte.«
»Da bin ich ganz deiner Meinung«, erwiderte Jarnebring. »Und das macht das Ganze auch nicht unbedingt einfacher.«
»Wie sind sie eigentlich hierhergekommen? Sie und ihre Eltern, meine ich«, fragte Johansson, obwohl er mit seinen Gedanken beim weiteren Verlauf des Tatabends war. Vielleicht wollte sie ja einfach nur bei jemandem telefonieren, um ihre Mutter anzurufen, dachte er. Vielleicht hatte sie bei einem vertrauenerweckenden und hilfsbereiten Pädophilen von der mitfühlenden Sorte geklopft, der sie einfach nur anschauen wollte, während sie nackt in seinem Bett schlief und er es sich besorgte. Bis ihn dieses plötzliche Begehren überkam, das ihn bei der Gurgel gepackt hatte und ihm keine Wahl ließ.
»Politik ist nicht meine Stärke«, sagte Jarnebring, »aber ich kann trotzdem …«
»Entschuldige«, sagte Johansson. »Was hast du gesagt? Irgendwas über Politik?« Reiß dich zusammen, dachte er.
»Yasmine und ihre Eltern kamen als politisch Verfolgte aus dem Iran hierher«, sagte Jarnebring, »und zwar im Winter 1979. Da war Yasmine gerade drei Jahre alt geworden.«
»Ich verstehe«, sagte Johansson.
Politik war nicht unbedingt Jarnebrings Stärke, aber er hatte mit Yasmines Eltern gesprochen und ihren Bericht mit ihrer Akte bei der Einwanderungsbehörde verglichen, die am 20. Januar 1979 direkt nach ihrer Ankunft in Arlanda
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