Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stern von Yucatan

Der Stern von Yucatan

Titel: Der Stern von Yucatan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Macomber
Vom Netzwerk:
schmutzige Windeln und Kindergeschrei erträgt, dann kann ich es auch.”
    “Gary kommt wunderbar mit Brice aus”, erzählte Marjorie.
    “Vermutlich, weil er endlich jemand in seinem Alter hat, mit dem er spielen kann”, neckte Lorraine. Die beiden Frauen lachten, und Gary stimmte ein. Gary war ein Baseballfan und Brice offenbar auch. Sie hatte kürzlich an einem Sonntag bei ihnen vorbeigeschaut, und Gary und Brice hatten geradezu vor dem Bildschirm geklebt und die Ausscheidungsspiele verfolgt. Sie waren so mitgegangen und hatten so mitgejubelt, dass sie sich mit Marjorie in die Küche zurückziehen musste.
    “Ich denke eher, dass Brice sehr reif ist für sein Alter”, erwiderte Gary.
    Die Kellnerin kam, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Sie sah Gary und Lorraine einige Male sehr merkwürdig an, als sei etwas nicht in Ordnung. Das geschah häufiger, wenn Marjorie zu ihnen stieß. Immerhin waren sie so lange miteinander gegangen, dass man automatisch annahm, sie seien ein Paar.
    “Was machst du am Erntedankfest?”, fragte Marjorie.
    War das Jahr bereits so weit fortgeschritten? Seit Monaten schleppte sie sich durch jeden Tag und betete um die Kraft und den Mut, allein weiterzumachen. Allein war das Schlüsselwort.
    Sie war jetzt dankbar, dass sie das Haus der Mutter nicht verkauft hatte. Gleich nach ihrer Rückkehr aus Mexiko war sie dort eingezogen. Sie brauchte den Trost vertrauter Dinge um sich.
    “Wir würden uns freuen, wenn du am Erntedanktag zum Dinner zu uns kommen könntest”, sagte Marjorie.
    Lorraine hörte die Einladung, reagierte jedoch erst, als sie merkte, dass Gary und Marjorie auf eine Antwort warteten. Beide betrachteten sie besorgt. Plötzlich wurde ihr klar, dass eine Mischung aus Schuldgefühlen und Zuneigung zu dieser Einladung geführt hatte. Das war unnötig. Keiner von beiden musste sich ihretwegen schuldig fühlen. Wenn Gary ihr nicht zuvorgekommen wäre, hätte sie die Verlobung von sich aus gelöst.
    “Ich … ich weiß noch nicht”, wich sie aus.
    “Wirst du deinen Vater besuchen?”, fragte Gary.
    “Nein.” Ihre rasche Erwiderung verriet Ärger und Schmerz. Sie wollte nicht über Thomas Dancy nachdenken und mochte die Gefühle auch nicht analysieren, die sie bei seiner Erwähnung befielen.
    Sie fühlte sich von ihm verraten, weil er ihr die Wahrheit über sein Verhältnis zu Azucena verschwiegen hatte. Anstatt es offen zu gestehen, hatte sie es selbst herausfinden dürfen. Das schmerzte vielleicht am meisten. Thomas hatte sie genauso belogen wie ihre Mutter früher. All die Jahre hatte Virginia ihn idealisiert und geliebt und war ihm treu geblieben. Nicht ein Mal hatte sie einen anderen Mann auch nur angesehen.
    Als Jack ins Krankenhaus eingeliefert worden war, hatte sie sich Trost suchend an ihren Vater gewandt. Das bedauerte sie jetzt. Er hatte ja auch versucht, sie zu trösten, als der Arzt ihr Jacks Tod mitteilte, doch sie war untröstlich gewesen.
    Danach war sie jedoch schnell nach Louisville zurückgekehrt, wohin sie gehörte. Seither hatte Thomas ihr einige Male geschrieben, aber sie hatte nicht geantwortet. Sie hätte nicht gewusst, was sie schreiben sollte. Thomas Dancy hatte sich ein zweites Leben aufgebaut mit einer anderen Frau und anderen Kindern. Sie war lediglich ein Teil seiner schmerzlichen Vergangenheit. Es war für alle Beteiligten besser, wenn sie sich aus dem Leben des jeweils anderen heraushielten.
    “Lorraine? Wir sprachen vom Erntedankfest.” Garys Stimme unterbrach ihre Überlegungen.
    “Entschuldigt”, erwiderte sie leise, “ich gebe euch noch Bescheid.”
    “Bist du inzwischen so weit, über die Geschehnisse in Mexiko zu reden?” Die freundliche, mitfühlende Frage kam von Marjorie. Ohne dass Lorraine es erwähnt hätte, war ihr offenbar klar, dass sie Traumatisches erlebt hatte.
    “Nein”, flüsterte sie mit brüchiger Stimme. “Noch nicht.” Und vielleicht war sie nie so weit. Sie hatte ihre Erinnerungen an Jack mit keinem Menschen geteilt, weder mit Gary noch mit Marjorie, noch mit ihren Freunden auf der Arbeit.
    Gary hatte recht. Sie war verändert und würde es bleiben, weil sie ihre große Liebe verloren hatte. Was könnte sie den beiden schon erzählen? Wie sollte sie ihnen erklären, dass sie an jenem Tag im Dschungel außerhalb von Mexiko City mitgestorben war? Wie sollte sie erklären, dass sie nur noch automatisch funktionierte und Mühe hatte, ihrem Leben einen Sinn zu geben?
    Jack erduldete sechs entsetzliche Monate. Der

Weitere Kostenlose Bücher