Der Sternengarten: Historischer Roman (German Edition)
sich neben dem Herzog wieder. Verwirrt verneigte er sich vor seinem Herrn, dann begriff er, dass man ihn direkt neben dem Herrscher platzierte. Für einen Moment spürte er alle Blicke auf sich, verlegen rutschte er auf seinen Stuhl.
Unter dem Tisch trat er gegen etwas Weiches. Allard, kam ihm der Name des fürstlichen Jagdhundes in den Sinn. Der treue Allard … Wo der Herzog sich aufhielt, wachte auch die Bracke mit aufmerksamem Blick. Vorsichtig tätschelte er den Kopf des edlen Tieres, das nun aufgesprungen war. Sein Fell zuckte, die Muskeln spannten sich darunter. Im nächsten Augenblick spürte Olearius Allards feuchte Schnauze zwischen den Beinen. Wieder brach der Schweiß mit aller Macht aus seinen Poren hervor. Etwas Geistreiches, dachte er, ich muss etwas Gescheites von mir geben.
Ein Räuspern, dann blitzte ein Gedanke auf. »Was für eine Herkulestat, diese Wildnis zu besiegen, Durchlaucht.«
Der Herzog lächelte nachsichtig und ließ sich Wein in seinen silbernen Pokal nachschenken. Kunstvoll zelebrierte der herzogliche Mundschenk den Akt. Der schwere Rote floss in vollendetem Bogen aus der Karaffe und Friedrich nickte. Dann wandte er sich Olearius zu. Verschwörerisch neigte er den Kopf und suchte dessen Ohr. »Das ist erst der Anfang«, flüsterte er.
Kein Zweifel, diese Worte waren nur für ihn bestimmt. Friedrichs Atem brannte auf seinem Gesicht, Hitze überrollte ihn wie die Brandung einen Strand.
»Herkules am Scheideweg«, fuhr der Herzog fort. »Ihr kennt die Geschichte?«
Olearius räusperte sich, unter dem Tisch ließ sich Allard schwanzwedelnd auf seinen Stiefeln nieder. Unablässig klopfte die Rute des Hundes gegen seine Beine. »Eines Tages kam der junge Herkules an eine Weggabelung, wo ihm zwei Frauen begegneten«, begann er stockend. »An einem Weg stand eine Frau in kostbaren Gewändern, am anderen ein Weib in schlichter Kleidung, das bescheiden den Blick senkte. Zuerst sprach ihn die prächtige Frau an, sie verkörperte die Lust. Wenn er ihrem Weg folge, so erwarte ihn ein Leben voller Genuss und Reichtum. Weder Not noch Leid würden ihm begegnen, nur die Glückseligkeit! Die andere Frau war die Tugend und sie sprach, dass sich die Liebe der Götter und Mitmenschen nicht ohne Mühsal erreichen ließe. Auf dem Weg der Tugend werde ihm viel Leid widerfahren, doch sein Lohn würde die Achtung, Verehrung und Liebe der Menschen sein. Nur er könne entscheiden, welcher Weg der seinige sein solle.«
»Herkules entschied sich für den Pfad der Tugend und Ehre.« Der Herzog neigte sich ihm jetzt so weit entgegen, dass sein Haar die Schulter des Gelehrten berührte. Olearius nahm einen Geruch nach Tabak und Leder wahr, der ihn an seine Kindheit erinnerte.
Das Bild seines Vaters, des Schneiders Adam Öhlschlegel aus Aschersleben, kam ihm in den Sinn, wie er sich Pfeife rauchend über seine Stoffe gebeugt hatte. Olearius dachte, dass dessen ganzes Leben nichts anderes als ein Bücken und Dienen gewesen war – vor den Kunden und hohen Herrschaften.
Die ärmlichen Verhältnisse, aus denen er stammte, hatten eine wissenschaftliche Laufbahn eigentlich nicht zugelassen. Noch immer kam es Olearius wie ein seltsamer Zufall, nein, mehr noch, wie ein Wunder vor, dass sich freundliche Gönner und Lehrer gefunden hatten, die ihm den Besuch höherer Schulen ermöglichten.
Anno 1624 hatte man ihm die Würde des Bakkalaureus an der Leipziger Universität verliehen, und wenig später war er Magister geworden. Fortan hatte er sich stolz Adam Olearius genannt, doch die folgenden Jahre waren schwer gewesen – als junger Lehrer hatte er sich nur mühsam über Wasser halten können. Später war Olearius zum Assessor an der Philosophischen Fakultät aufgestiegen. Als Leipzig von den Schlachten des Kaiserlichen Krieges überzogen worden war, hatte er die Stadt im August 1633 verlassen, um dem Ruf Herzog Friedrichs III . zu folgen, der ihm einen Posten als Sekretär der Persienexpedition angeboten hatte.
Ich habe mich nie beugen wollen, dachte Olearius und scheuchte das Bild seines Vaters in die Nebel der Vergangenheit zurück. Doch das war ihm nicht immer gelungen, erst Herzog Friedrich schien an seiner wahren Begabung interessiert gewesen zu sein.
»Was schwebt Euch vor, Fürstliche Durchlaucht?«
»Ein Monumentum mathematicum – hier in diesem Garten, etwas weiter oben am Scheitelpunkt zwischen unterer und oberer Terrasse.« Verschwörerisch deutete der Herzog in nördliche Richtung.
Aus den
Weitere Kostenlose Bücher