Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
Euch, nehmt Euren ganzen Mut
zusammen. Ich verspreche Euch auch, Euch nicht an den
königlichen Hals zu springen und mich mit Euch hier im
Uferschlamm zu wälzen.«
Bornheld lief ob dieser Schmähungen dunkelrot an.
»Gautier«, befahl er nach hinten, »sorgt dafür, daß die
Männer ihre Waffen wieder einstecken und sich zweihundert Schritte zurückziehen. Vielleicht fühlt sich mein
Echsenfreund von einem Bruder dann sicherer und zeigt
sich endlich.«
Als sein Leutnant sein Pferd wendete und zu den Fünftausend ritt, deutete Bornheld auf die Ikarier, die hoch
über ihnen am Himmel kreisten. »Und wie steht’s mit
Euren Flugechsen dort in den Wolken? Wenn ich die
Höflichkeit aufbringe, meine Soldaten ein gutes Stück
weit zurückzuziehen, dann solltet Ihr mir die gleiche
Ehre erweisen.«
Belial winkte zum Himmel hoch, und die Vogelmenschen kamen langsam herunter und trieben zu den nächsten Hügeln hinab. Zwei von ihnen landeten jedoch an der
Furt.
»Was soll denn das?« grollte der König, und seine
Finger zuckten am Zügel.
»Ich sorge nur für gleiche Kräfteverhältnisse«, erwiderte Axis’ Leutnant. »Und von der anderen Seite des
Flusses kommt jetzt noch einer. Doch seht selbst.«
Nach wenigen Momenten gesellten sich die zwei Vogelmenschen zu den Unterhändlern des Kriegers. Ein
Männchen und ein Weibchen, erkannte der König, beide
in schwarzen Uniformen und mit dem Emblem des Sternenmannes auf der Brust.
Und noch eines dieser Wesen flog zu ihnen heran.
Doch dieses trug keine Uniform. Seine Flügel prangten
silbern.
Bevor der König etwas sagen konnte, kehrte Gautier
zurück und schrie: »Da, Herr! Schaut nur!«
Bornheld sah zu der Rebellenstreitmacht am anderen
Flußufer hinüber. Ihre Reihe öffnete sich in der Mitte,
dort wo das Banner wehte, und ein Mann erschien auf
einem silbergrauen Roß. Er trug ein Langhemd vom gleichen Gold wie auf seiner Fahne, und der König erkannte
deutlich die rote Sonne auf der Brust.
Axis.
Der Krieger trieb Belaguez zu einem gestreckten Galopp an, während zwei große Hunde hinter ihm herrannten. Als der Hengst in den Strom gelangte, konnte man
Roß und Reiter vor lauter aufspritzendem Wasser nicht
mehr sehen. Einen Herzschlag später tauchten sie daraus
wieder hervor. Das Pferd schwamm zügig durch die trägen Fluten. Eines Tages werde ich mir diesen Hengst
holen, schwor sich Bornheld.
Die Hunde folgten Belaguez mit bewundernswerter
Leichtigkeit durchs Wasser. Über ihnen war ein Schneeadler aufgetaucht, der sie zu begleiten schien.
Ho’Demi betrachtete die Szene aufmerksam, und
Freude stahl sich in sein Herz. Der Mann, der da heranritt, sah wie ein wahrer König aus. Die Alaunt dienten
ihm ebenso wie der Adler oben in den Lüften. Die Ikarier
hatten für ihn ihr Kriegsschwarz angelegt, und über seiner Armee wehte weithin sichtbar sein Banner. Kein
Zweifel, das konnte kein anderer als der Sternenmann
sein.
Axis hielt Belaguez kurz vor der Gruppe an und ließ
ihn die letzten Meter im Schrittempo zurücklegen.
»Bornheld«, grüßte er tonlos, als er mit seinem Hengst
stehenblieb. »Seid Ihr gekommen, um Euch mir anzuschließen, wie es die Weissagung vom Zerstörer verlangt? Ich sehe, Ihr tragt mittlerweile die Krone von
Achar. Somit liegt es in Eurer Macht, das Land vor unnötigem Blutvergießen zu bewahren. Wollt Ihr unter meinem Banner kämpfen, um Gorgrael zu vertreiben und
Tencendor wiedererstehen zu lassen?«
Bornheld knurrte, er schien eingeschüchtert. Sein Bruder leuchtete hell wie eine Sonne und verbreitete die
Aura von ungeheurer Macht. Aber ich bin doch der König, mußte er sich immer wieder versichern, der rechtmäßige Thronfolger und von legitimer Geburt. Ich halte
hier die Macht in den Händen und nicht dieser erbärmliche Gesetzesbrecher und Vogelfreie. Aber mit seinem
Mut und seiner Selbstachtung kehrten auch der Haß und
die Abscheu wieder zurück. Warum begünstigte Artor
Axis mit all dem, was doch nach dem Erstgeburtsrecht
ihm, Bornheld, zustand?
Bevor dem König etwas Passendes eingefallen war,
steuerte der Krieger bereits sein Pferd zu den Fünfen, die
Bornhelds Gefolge bildeten.
»Gautier.« Axis nickte dem Leutnant nur kurz zu und
trabte weiter.
»Herzog Roland.« Diesmal klang seine Stimme nicht
so kalt und ablehnend. Er hatte den Herzog immer gemocht und geachtet. Deshalb erschreckte es ihn auch
zutiefst, als er entdecken mußte, wie zusammengekrümmt dieser im Sattel saß. Und erst seine gelbliche
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