Der Sternenhuter - Unter dem Weltenbaum 04
Verteidiger, in das sich das erregte Wispern
der Geister mischte, und gelegentlich auch die qualvollen
Schreie eines Soldaten, der den hungrigen Mäulern zum
Opfer fiel.
Nach ungefähr zwanzig Minuten streckte Ho’Demi
den Skräling nieder, der ihm gerade an die Kehle wollte,
um beim Hochschauen verblüfft festzustellen, daß niemand mehr vor ihm war.
An seiner Seite wehrte sich Bornheld gerade gegen einen ausgesprochen hünenhaften Feind. Der Häuptling
sprang ihm zur Seite, riß den Schädel der Kreatur am
langen Haar zurück und gab seinem Waffengefährten so
die Gelegenheit, ihm das Schwert ins große silberne Auge zu stoßen.
Blut spritzte die beiden von oben bis unten voll.
Bornheld nickte ihm dankbar zu und sah sich dann
um. »Sie weichen zurück!«
Ja, dachte Ho’Demi, der nach einem langen und harten
Tag des Kampfes kaum noch den Schwertarm heben
konnte, die Skrälinge schienen fürs erste genug zu haben.
Viele hatten Bornheld verwünscht, als er sie monatelang
gezwungen hatte, Gräben und Kanäle zwischen den Flüssen Azle und Nordra auszuheben. Aber jetzt zeigte die
brillante Strategie hinter dieser Maßnahme Wirkung. Die
Skrälinge konnten diese Verteidigungsanlage nicht allein
aufgrund ihrer Masse überrennen, so wie damals die
Stadt Gorken. Die Kanäle zwangen sie, sich in kleinere
Gruppen aufzuteilen, und die Gräben zu umgehen oder
zwischen sie zu gelangen. Ihre bevorzugte Angriffsweise
hatte hier versagt – in ungeheurer Menge als wimmelnde
Masse aus tödlichen Zähnen und Klauen heranzustürmen, damit den Gegner in Panik zu versetzen und ihn so
zu überrollen. Statt dessen mußten sie sich in mehrere
Scharen aufteilen, die dann auch noch oft genug in eine
Falle tappten oder in einen Hinterhalt gerieten. Die Verteidiger hatten bis jetzt große Erfolge dadurch erreicht,
daß sie die einzelnen Angreifergruppen isoliert voneinander niedergeschlagen hatten.
Aber auch so erwiesen die Geister sich immer noch als
tückische und tödliche Gegner. Der Häuptling fragte sich
besorgt, wie die königliche Armee es im Süden des Königreiches mit den Massen der Skrälinge aufnehmen
wollte, wenn es Gorgrael gelingen sollte, das Kanalsystem großflächig zu durchbrechen.
Einige hundert Schritte weiter westlich war nun der
Kampf entbrannt. Der Oberste Heerführer stieg müde aus
dem Graben und machte sich auf den Weg dorthin.
Ho’Demi wandte sich an Inari: »Ich muß mich heute
nacht mit den Ältesten beraten. Könnt Ihr diesen Abschnitt so lange für mich übernehmen?«
Der Rabenbunder lachte. »Dann bekomme ich also
nicht nur meinen Anteil an erschlagenen Skrälingen,
sondern auch noch Euren!«
»Sorgt dafür, daß die Männer etwas zu essen bekommen. Sie haben gerade den fünften Angriff heute abwehren müssen.«
Und damit verließ ihn der Häuptling.
Überall stieß er auf Soldaten, die an die Grabenwand
gelehnt dasaßen und versuchten, etwas Schlaf zu bekommen. Andere nutzten die Gelegenheit zu einem Gebet: die Rabenbunder beteten zu ihren Eisgöttern, die
Koroleaner zu den Bronzegottheiten an ihren Gürteln und
die Achariten zu Artor.
Aber Ho’Demi entging nicht, daß einige Menschen
nicht den Namen Artors im Munde führten. Noch war die
Schar der Männer klein, die alles Vertrauen in Axis setzten, doch ihre Zahl wuchs täglich. Überall tauchten Gerüchte auf, der ehemalige Axtherr sei noch am Leben.
Und von den Fünftausend, die mit Bornheld zur Gundealgafurt geritten waren, erzählten viele, daß ein ganz in
Gold gewandeter Mann herangeritten gekommen sei,
neben dem der Oberste Heerführer sehr glanzlos und
wenig majestätisch gewirkt habe. Gewiß, die Unaussprechlichen, die in schwarzer Uniform den Himmel
beherrschten, seien schon etwas unheimlich gewesen,
aber sie hätten ihnen nichts angetan, obwohl es doch für
sie ein Leichtes gewesen wäre, sie mit einem tödlichen
Pfeilregen einzudecken.
Und mit den Gerüchten von Axis’ Überleben verbreitete sich auch die Botschaft von der Prophezeiung.
Zu besorgt, um schlafen zu können, berief Ho’Demi in
dieser Nacht eine Sitzung des Ältestenrats ein. Natürlich
in aller Heimlichkeit.
Nachdem Sa’Kuja allen Anwesenden Tekawaitee eingeschenkt hatte, nahm sie neben ihrem Mann Platz.
Der Häuptling eröffnete die Zusammenkunft mit den
alten Ritualen, kam dann aber gleich auf das zu sprechen,
was ihm auf der Seele lag: »Ihr alle wißt, daß ich bei den
Verhandlungen vor vier Wochen an der Furt Gelegenheit
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