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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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ich denke, da sind ein paar Dinge, über die wir mal reden sollten.« Dann war die Leitung auch schon tot. Seinem Ton nach zu schließen, war er ziemlich sauer. Vielleicht hätte ich darüber nachdenken sollen, vielleicht tat ich es auch, und es ging nur im allgemeinen Wust unter. Abends hatte der Zug Verspätung, fast eine halbe Stunde. Mein Bus in Horrem war natürlich weg. Ich mußte auf den nächsten warten und kam mehr als eine Stunde später daheim an. Nicole wartete in ihrem Zimmer auf mich. Sie saß auf dem Bett, das Pferdebuch auf dem Schoß. Die Tür stand offen, und Herr Genardy stand davor und unterhielt sich mit ihr. Er grüßte freundlich, als ich hereinkam, schaute mich mit einem Hauch von Mitgefühl an.
    »Sie haben aber wirklich einen sehr langen Tag«, stellte er fest. Bevor ich ihm antworten konnte, ich hätte auch nicht gewußt, was ich ihm auf seine Feststellung erwidern sollte, fragte Nicole:
    »Warum kommst du denn so spät?« Ich erklärte es ihr, nickte Herrn Genardy noch kurz zu. Dann gingen wir ins Wohnzimmer, und er ging hinauf. Ich machte mir einen Kaffee und ein belegtes Brot.
    »Muß ich gleich ins Bett«, fragte Nicole,»oder darf ich noch ein bißchen aufbleiben?«
    »Was wollte Herr Genardy von dir?«
    »Nichts, wir haben uns nur unterhalten.« Nicole schien erstaunt über meine Frage.
    »Worüber denn?« Sie zuckte mit den Achseln.
    »Nur so. Daß ich jetzt immer bei Denise bin und daß wir nicht mehr hier spielen. Wo doch bei Denise das Zimmer so klein ist und die Brüder uns immer zanken. Aber Denise will ja nicht mehr hier spielen, nur sonntags noch.«
    »Warum will Denise nicht mehr hier spielen?« Noch ein Achselzucken, Nicole betrachtete meine Kaffeetasse und schürzte die Lippen dabei.
    »Weiß ich nicht. Sie will eben nicht mehr. Manchmal ist sie richtig doof. Beim Rechnen heute hat sie so komische Männchen in ihr Heft gemalt. Und als sie Schimpfe dafür bekam, hat sie geheult.«
    »Hat Herr Genardy dir etwas angeboten? Limonade oder Saft?« Sie schüttelte den Kopf, blieb noch eine halbe Stunde bei mir sitzen, dann schickte ich sie ins Bett. Noch ein Mosaiksteinchen mehr. Denise will nicht mehr hier spielen, malt komische Männchen ins Mathematikheft, weint grundlos. In dem Alter reagieren sie schon empfindlich, wenn sie angefaßt werden. Und wer weiß, wie er sie angefaßt hat. Vielleicht hat er sie sogar verletzt. Ich sollte mit Denise reden, sie ganz gezielt fragen. Mit Verständnis und dem beruhigenden Ton in der Stimme, der einem Kind Sicherheit und Vertrauen gibt. Als Günther kurz nach elf kam, konnte ich ganz ruhig und flüssig über alles reden. Er war tatsächlich sauer, wollte erst einmal nur wissen, warum ich gestern so kommentarlos aufgelegt hatte. Ob ich mich etwa noch weiter in meinen Wahnsinn hineinsteigerte. Und was Herr Genardy damit zu tun hatte. Dann hörte er mir eine halbe Stunde lang zu, ohne mich einmal zu unterbrechen. Erst als ich wirklich alles gesagt hatte, machte er seinem Ärger ein wenig Luft.
    »Das sind doch zum größten Teil Hirngespinste, können wir uns wenigstens in dem Punkt einigen?«
    »Nein, können wir nicht. Es sind keine Hirngespinste, es sind Gefühle. Ich sehe da einen Unterschied. Ich weiß, daß du an diese Dinge nicht glaubst, aber ich habe nun einmal damit zu tun. Und ich habe das Gefühl, daß Herr Genardy sich gerne mit kleinen Mädchen beschäftigt, um es einmal dezent auszudrücken.«
    »Na schön«, brummte Günther,»du hast das Gefühl.« An seinen Wangenmuskeln konnte ich erkennen, wie er auf dem Gefühl herumkaute. Ich sprach trotzdem unbeirrt weiter.
    »Wenn du dich damit nicht auseinandersetzen kannst, dann mußt du es eben lassen. Du kannst jederzeit sagen, das war’s dann, Sigrid. Mit Verrückten gebe ich mich nicht ab.«
    »Red doch keinen Quatsch«, brummte er unwillig. Ich ließ ihm noch ein paar Sekunden, sah, wie er sich sammelte. Es schien ihn eine Menge Überwindung zu kosten, aber endlich brachte er es heraus.
    »Also gut, du hast Gefühle. Aber Beweise hast du nicht. Und nur mit Gefühlen allein kannst du nicht zur Polizei gehen.«
    »Das habe ich auch nicht vor. Aber ich habe auch nicht vor, zu warten, bis er sich so an einem Kind vergreift, daß es sich nicht mehr davon erholt. Ich bin überzeugt, er war an dem Mittwoch abend in Nicoles Zimmer. Er muß irgend etwas mit Denise gemacht haben. Und er hat auch gestern etwas mit Mara gemacht. Ich kann es nicht beweisen, vielleicht will ich das auch gar

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