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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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wollte. Ich hatte mit ihm noch nie über solche Dinge gesprochen. Aber ich mußte mit einem Menschen reden. Und ich mußte einmal erleben, daß mir ein Mensch glaubte. Um Günther anzurufen, mußte ich zu Frau Humperts hinauf. Sie hatte mich ohnehin für ein Stündchen eingeladen, damit wir uns richtig voneinander verabschieden konnten. Bis kurz vor zehn saß ich bei ihr, ohne zu telefonieren, und fühlte mich die ganze Zeit so scheußlich. Die Wohnung wirkte kahl, die Bilder ihrer Enkelkinder, die immer auf dem Schrank gestanden hatten, fehlten. All die kleinen, entbehrlichen Dinge, die aus einem Zimmer einen bewohnten Raum machen, lagen verpackt in Kisten und Kartons. Am nächsten Morgen Punkt acht sollten die Spediteure kommen. Ich würde das nicht erleben, ich würde zu dem Zeitpunkt in Köln sein. Ich würde erst am Nachmittag zurückkommen. Und bis ich zurückkam, war Nicole allein! Frau Humperts bemerkte natürlich, daß mich etwas bedrückte. Eine Weile wartete sie darauf, daß ich von mir aus zu sprechen begann, und dann forderte sie:
    »Nun mal raus mit der Sprache, Kindchen, was ist denn wieder?« Ich hatte ihr kurz nach ihrem Einzug einmal von meinem Traum erzählt, von den Toten und wie es ablief, drei Tage. Eine Gnadenfrist vielleicht, damit ich mein Gehirn einmal so richtig auf Touren brachte, die Kopfnuß knackte, die der Braune mir aufgab. Wohin habe ich die Uhr getragen? Dreimal darfst du raten. Aber war er in der vergangenen Nacht wirklich mit ihr die Treppe hinaufgestiegen, oder bildete ich es mir nur ein, weil ich ihm Frau Humperts anbieten wollte? Ich konnte ihr nicht viel erklären, konnte nur sagen:
    »Ich habe wieder geträumt.« Frau Humperts schaute mich zuerst nur an, es war ihr anscheinend unangenehm. Doch dann lächelte sie und meinte, es hinge vielleicht nur mit dem Datum zusammen, morgen sei schließlich der sechste Todestag von Franz. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Es könne auch sein, meinte Frau Humperts, daß ich mich um eine Nachfolgerin sorgte. Sie wußte ja, daß ich das Haus nur halten konnte, wenn ich die Miete für das Obergeschoß bekam. Und sie versuchte, mich zu beruhigen. Das würde schneller gehen, als ich mir vorstellen könne. Ich würde mich vor Anfragen nicht retten und mir die Rosinen aus dem Kuchen picken können, wo doch so viele Leute händeringend eine Wohnung suchten. Ich wollte nicht viele Leute, nur eine Person, auf die ich mich verlassen konnte. Ich wußte plötzlich, warum ich mit der Annonce so lange gezögert, worauf ich gewartet hatte. Ich hatte gehofft, Günther würde bei mir einziehen. Er hatte sich nach seiner Scheidung eine Wohnung in Sindorf genommen. Sie war etwas größer als die Wohnung, die ich zu bieten hatte. Dafür zahlte er auch entsprechend mehr. Außerdem zahlte er Unterhalt für die beiden Kinder und seine geschiedene Frau, obwohl die längst mit einem anderen Mann zusammenlebte, halbtags arbeitete und er für sie gar nicht mehr hätte zahlen müssen. Doch als ich ihm gesagt hatte, daß Frau Humperts ausziehen wollte, hatte er mir geraten, die Annonce aufzugeben. Ich wußte schon, warum ich ihn nicht direkt gefragt hatte. Weil er das gar nicht wollte. So ein lockeres Verhältnis, ja, hin und wieder mit mir auf meine Klappcouch, aber ansonsten keine Verpflichtungen. Bevor er das erste Mal mit mir schlief, sagte er:
    »Ich glaube, ich mache einen großen Fehler. Du hast etwas im Blick wie Hanfseile.« Dann grinste er und fragte:
    »Du hast nicht zufällig auch Klebstoff zwischen den Beinen?« Und ich antwortete, er könne ganz unbesorgt sein, ich wolle mich nicht mehr binden, nie mehr. Wie ich da mit Frau Humperts in ihrem Wohnzimmer saß, dachte ich plötzlich, ich hätte besser aus meinen Hanfseilen eine Schlinge gemacht und ihn mit Haut und Haaren gefressen, mich Hals über Kopf in ihn verliebt, so daß mich der Gedanke, ihn wieder zu verlieren, jetzt rasend machen würde. Es war mir durchaus klar, was ich tat. Ich konnte an gar nichts anderes denken als an einen Ersatz für Nicole. Und samstags war ich nicht da. Ich hatte natürlich mit ihr darüber gesprochen, hatte ihr gesagt, was ich für richtig hielt.
    »Wenn die Spediteure kommen, gehst du zu Oma.«
    »Och, Mensch! Das muß ja wohl nicht sein.«
    »Es muß, du bleibst hier nicht allein im Haus.«
    »Dann gehe ich zu Denise.« Denise Kolling war ihre Freundin, seit dem Kindergarten schon. Sie gingen zusammen in die gleiche Klasse. Träumten zusammen von einem Pferd, neuen

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