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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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bei Anke herum, aber manchmal wollten Anke und Norbert auch allein sein. Das hatten sie ihr wohl irgendwann einmal erklärt. Und Mutter machte gute Miene zum bösen Spiel. Jeden zweiten Sonntag, sobald Mara aus ihrem Mittagsschlaf erwachte, tat Mutter ihre Pflicht, um ihrem armen, überlasteten Kind ein wenig von der Bürde abzunehmen und dabei gleichzeitig bei den Unmöglichen nach dem Rechten zu sehen. Ach Gott, jetzt werde ich sarkastisch, aber es war doch so. Kritik und das Vorbild. Anke hinten, Anke vorne, Anke hochschwanger und mit dem lebhaften Kind. Mara war nie lebhaft gewesen, eher träge, immer so, als ob sie gerade erst aufgewacht sei. Und wann hatte Mutter denn einmal einen Finger für mich krumm gemacht? Ich hatte in den letzten Wochen schon mehr als einmal versucht, ihr die Bereitschaft abzuringen, sich für ein paar Stunden am Nachmittag um Nicole zu kümmern. Mehr als ein paar Stunden würden es ohnehin nie werden und die vermutlich noch nicht einmal jeden Tag. Nicole würde zehnmal lieber zu den Kollings gehen, und dort war sie wohl auch willkommener. Aber jedesmal, wenn ich davon angefangen hatte, suchte Mutter rasch ein anderes Thema. Und sie fand immer das gleiche. Anke und das zweite Kind. Bei Anke war Mutter unentbehrlich. Daß Anke manchmal die Augen verdrehte, übersah Mutter geflissentlich. An dem Nachmittag war ich fest entschlossen, ihr klarzumachen, daß ich ihre Hilfe ebenso brauchte. Mutter war auch fest entschlossen. Sie erzählte erst einmal von dem Spaziergang, den sie mit Mara gemacht hatte. Verlangte von Mara, aufzuzählen, was sie alles gesehen hatte, und zählte es dann selbst auf, weil Mara sich nur den Daumen in den Mund steckte. Ein Wauwau und zwei Mimi, viele Blümchen, viele Tütü und viele Titi. Anke war immer sauer, wenn sie Mutter in dieser Art mit Mara reden hörte. Aber bei mir ging Mutter kein Risiko ein, da grinste nur Günther. Mutters Blick ging zwischen ihm und mir hin und her wie der eines Wachhundes. Als Günther aufstand, um seine Jacke zu holen, kräuselte Mutter die Lippen und brach mitten im Satz ab. Ich wartete direkt auf das Knurren, aber vorübergehend war Mutter wohl abgelenkt. Nicole kam ins Zimmer. Sie wollte zu Denise gehen.
    »Du bleibst hier«, sagte ich. Nicole war schon wieder bei der Tür zur Diele, blieb stehen und verzog das Gesicht voller Protest.
    »Warum denn? Denise wartet auf mich. Wir haben gestern verabredet, daß ich heute zu ihr komme.«
    »Heute nicht«, sagte ich. Mutter schüttelte verständnislos den Kopf.
    »Jetzt laß das Kind doch! Was soll es denn hier herumsitzen und sich langweilen.«
    »Kann ich nun?« Nicole nutzte nur die Gelegenheit, ihr konnte ich schwerlich einen Vorwurf machen. Sie erklärte noch:
    »Günther fährt mich hin.« Günther mußte weg, sein Dienst begann um vier. Mutter gab ihm mit säuerlichem Lächeln die Hand, als er sich verabschiedete. Und kaum war die Tür hinter ihm und Nicole ins Schloß gefallen, kam die erste spitze Bemerkung und ein Vortrag über Höflichkeit.
    »Sigrid, ist dir nicht aufgefallen, daß das Kind ihn duzt? Ich dachte, mir bleibt die Luft weg. Wie kannst du das zulassen? Also das geht ja nun wirklich zu weit. So lange kennst du ihn doch noch gar nicht.« Mutter stutzte, holte einmal tief Luft.
    »Du läßt ihn doch hoffentlich nicht hier übernachten?« Das hätte ich gerne getan, aber er wollte ja anscheinend nicht. Ich sagte nur nein, und Mutter beruhigte sich wieder. Sie erkundigte sich beiläufig, ob ich mit meiner Annonce erfolgreich gewesen war. Ebenso beiläufig nahm sie zur Kenntnis, daß ich wahrscheinlich noch eine aufgeben mußte.
    »Du solltest dir selbst wieder ein Telefon anschließen lassen. Das sind doch keine Zustände so. Jedesmal, wenn ich hier an die Tür komme, kann ich nur hoffen, daß du daheim bist. Anmelden kann ich mich ja nicht.« Einmal bisher, ein einziges Mal, waren Günther, Nicole und ich an einem Sonntag nachmittag ins Café gegangen. Es war ein erster oder ein dritter Sonntag gewesen. Wir hatten ja nicht ahnen können, daß Mutter auch Ausnahmen machte. Mutter war tödlich beleidigt gewesen und konnte sich immer noch darüber aufregen. Und ich konnte nichts anderes tun, als ihr noch einmal Kaffee einzugießen. Torte hatte sie selbst mitgebracht, zwei Stückchen. Nicole machte sich nicht viel aus Kuchen. Und was Günther betraf:
    »Ich dachte mir, daß dein Bekannter sich ohnehin gleich wieder verabschiedet, wenn ich komme.« Und ich dachte daran,

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