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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Sachen, in ausgezeichnetem Zustand, viel besser jedenfalls als die alten Sessel, auf denen er bisher gesessen hatte. Aber so schnell ließ die Alte nicht locker. Da habe er aber eine schöne Strecke vor sich, meinte sie, wenn er die neuen Sachen persönlich bei seiner Tochter abholen wolle. Er winkte ab, alles halb so schlimm, ein paar Tage Urlaub, entweder heute noch oder gleich morgen früh wolle er aufbrechen. Das ließ sich im Notfall mit dem kombinieren, was er dem Hausbesitzer sagen wollte. Hatte er dann eben erst bei dem Besuch festgestellt, daß es in der Ehe der Tochter kriselte. Dann ließ er die Alte stehen und ging die Treppen hinunter. Als alles verstaut war, legte er eine kurze Rast ein. Er brühte sich einen Kaffee auf, aß ein belegtes Brot dazu. 
    Die Einrichtung der Küche und die restlichen Sachen aus dem Wohnzimmer wollte er am Spätnachmittag zusammen mit dem jungen Mann zum Wagen schaffen. Um die Zeit war die Alte meist unterwegs, um Einkäufe zu machen. Da würde sie nichts davon mitbekommen. Gegen zwei fuhr er los, und eine Stunde später war er am Ziel. Das Haus lag friedlich und verlassen, anders hatte er es auch nicht erwartet. Ungestört schaffte er die Möbelstücke und Kartons hinein. Nur einmal sah er rechts auf dem Nachbargrundstück eine ältere Frau, die gerade einen Beutel mit Abfall zum Mülleimer trug, dabei neugierig und ein wenig mißtrauisch zu ihm hinüberschaute. Er grüßte höflich mit einem Kopfnicken, lächelte spöttisch, als daraufhin das Mißtrauen aus ihrem Gesicht verschwand und sie zurückgrüßte. Eine Erklärung hielt er nicht für notwendig. Es hätte auch leicht der Eindruck entstehen können, er sei geschwätzig. Und was es hier zu erklären gab, würde entweder die Jüngere oder eher noch die Ältere übernehmen. Er trug zwei Stühle ins Haus. Als er zurückkam, war die Frau immer noch draußen. Sie machte sich an einem Blumenbeet zu schaffen. Er wußte genau, daß sie ihn nur beobachten wollte, und versuchte, sie zu ignorieren. Aber es machte ihn wütend. Überall traf man auf diese Weiber, nirgendwo war man sicher vor ihrer Neugier, gräßliches Volk. Er trug die letzten Sachen hinein, hielt sich nicht länger als notwendig auf, fuhr gleich zurück, um den jungen Mann nicht zu verpassen. Während der Fahrt dachte er noch, daß er dem jungen Mann wohl ein Trinkgeld geben müßte. Er ließ sich noch einmal durch den Kopf gehen, was er dem Hausbesitzer sagen wollte. Und er freute sich schon auf die Nacht. Eine hübsche Wohnung in friedlicher Umgebung. Nachbarn gab es überall, man mußte sich ja nicht um sie kümmern. Aber es kam alles ganz anders. Als er zurückkam, war Polizei im Haus. Er erfuhr es von der Alten. Es schien ganz so, als habe die auf ihn gewartet, nur um ihm das mitteilen zu können. Sie selbst war bereits befragt worden. Und sie brüstete sich damit, sie habe die Polizei angerufen, gleich als sie das Bild in der Zeitung sah. Sie erklärte sogar, daß sie die Zeitung erst am Vormittag aus dem Müll gefischt hatte. Das tat sie wohl häufiger. Das ältere Ehepaar aus dem zweiten Stock hatte eine abonniert. Die Alte konnte sich anscheinend keine leisten, oder sie war zu geizig. Aber sie war der Ansicht, es sei doch ihre Pflicht gewesen, die Polizei zu informieren, wo sie das Kind so oft vor dem Haus gesehen habe, manchmal schon kurz nach Mittag. Ein sonderbares Kind, das wahrhaftig nicht nur wegen der Tiere im Fenster gekommen war, das wohl nicht so leicht Anschluß an Gleichaltrige fand, das es mehr auf die Erwachsenen abgesehen hatte, auf Männer vor allem. Sie kam sogar einen Schritt näher, als sie weitersprach, beugte sich zu ihm vor, flüsterte nur noch. Einmal, als sie am späten Nachmittag vom Einkaufen zurückgekommen sei, habe sie das Kind gefragt, was es denn immer hier vor der Tür treibe. Und was habe das Kind ihr darauf geantwortet?
    »Ich warte hier auf meinen Freund.« Die Alte nickte dazu, als sei ihr die Bedeutung des Satzes durchaus klar. Sie legte den Kopf ein wenig zurück und schaute nach oben. Dann hob sie sogar den Daumen, winkte damit kurz hinauf, nickte schwer, wiederholte die letzten Worte:
    »Auf meinen Freund«, fügte noch hinzu:
    »In dem Alter. Aber das kommt davon. Man kann doch an keinem Zeitungsstand mehr vorbeigehen, überall nackte Frauen. Es ist kein Wunder, wenn die Kinder so früh verdorben werden. Wir haben ja hier schon so einiges erlebt. Da kann man sich doch denken, um was für einen Freund es sich

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