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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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hinunter,»ich wohne jetzt bei euch. Ich heiße Genardy, Josef Genardy.« Und das Kind, das ihn gefragt hatte, sagte:
    »Ich bin Nicole«, zeigte auf das zweite Kind und erklärte:
    »Das ist Denise, sie ist meine Freundin.«
    »Es freut mich, euch kennenzulernen«, sagte der Mann. Er blieb ein Weilchen auf dem Balkon stehen, um mit den Kindern zu sprechen. Dann ging er zurück ins Zimmer, schaute in seiner Geldbörse nach. Und es reichte noch, um mit den Kindern seinen Einzug zu feiern.

ZWEITER TEIL
    Als ich montags aufwachte, konnte ich es gar nicht begreifen. Der vierte Tag! Nicole lag nebenan in ihrem Bett, schlafend, heil und gesund. Doch ich glaubte nicht eine Sekunde lang, daß der Braune umsonst gekommen war. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß er mit seinem Prinzip gebrochen hatte und die Frist überschritt. Das hatte er in all den Jahren nie getan. Ich hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl, wie hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Nervosität. Wenn nicht Nicole, wen hatte sich der Braune dann geholt? Ich dachte nicht ein einziges Mal an Franz, dem ich nicht mal Blumen ans Grab gebracht hatte zu seinem Todestag. Sechs Jahre und zwei Tage, es schien plötzlich schon so lange her, zu lange, um noch wirklich Schmerz dabei zu empfinden. Mir war auch plötzlich, als sei ich vom ersten Moment an in einem kleinen Winkel des Herzens ein wenig erleichtert gewesen, als er starb, nur ein wenig. Beim Frühstück sprach ich mit Nicole darüber, daß sich für uns jetzt einiges ändern würde. Dabei horchte ich anfangs noch ständig zur Haustür hin, rechnete fest damit, daß es jeden Augenblick klingeln mußte. Daß jemand davor stand, um mir die Hiobsbotschaft zu überbringen. Anke? Norbert oder Mara? Das Erzählen lenkte ein wenig ab. Das waren Fakten, die man begreifen konnte, mit denen wir uns jetzt abfinden und auseinandersetzen mußten, negative und positive. Leider keine Frau, der einzig negative Aspekt. Bei allem anderen schien es nach nüchternem und gründlichem Überlegen, als hätte ich mit Herrn Genardy keine schlechte Wahl getroffen. Ich hatte ihm eine Mietsumme genannt, die um glatte hundert Mark höher war als die, die Frau Humperts gezahlt hatte. Er hatte den Betrag zur Kenntnis genommen, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Nun ja, als Beamter im höheren Dienst mußte er vermutlich nicht auf jeden Geldschein sehen. Hundert Mark mehr im Monat, das war ein angenehmes Gefühl. Einfach mal so ein Kleidungsstück für Nicole kaufen. Nicht weil es unbedingt notwendig war, sondern weil es mir gefiel. Und ihr würde es auch gefallen, sie war doch schon ein wenig eitel. Oder ein Telefon, der Gedanke reizte mich noch am meisten, ein eigenes Telefon. Abends auf der Couch liegen, schon fertig für die Nacht, und noch ein bißchen mit Günther reden. Vielleicht sprach es sich leichter, wenn man sich dabei nicht gegenübersaß. Bei dem Gedanken an Günther schwappte mir die Angst wieder durch sämtliche Knochen. Wenn ihm sonntags etwas zugestoßen war. Auf der Fahrt in die Redaktion vielleicht. Da wäre niemand auf den Gedanken gekommen, mich zu benachrichtigen. Es deutete plötzlich alles auf Günther hin. Ich nahm mir vor, gleich in der Frühstückspause bei ihm anzurufen. Nicole wollte wissen, wann unser neuer Mieter denn einziehen würde. Ich erklärte ihr, daß es noch etwas dauern könne.
    »Es kann sein«, sagte ich,»daß in nächster Zeit viele fremde Leute durchs Haus laufen, Maler und Möbelpacker. Und da möchte ich nicht, daß du alleine hier bist. Verstehst du das?« Sie nickte, aber einverstanden schien sie nicht. Ich besprach noch mit ihr, daß sie nach der Schule zu meiner Mutter gehen, dort essen und ihre Schularbeiten machen mußte. Und daß es keine Rolle spielte, ob Oma ein saures Gesicht zog, wenn sie vor ihrer Tür stand. Nach den Schularbeiten konnte sie dann von mir aus zu den Kollings gehen. Nicole beschwerte sich schon einmal im voraus über die kleinen Brüder von Denise, die so albern und so gehässig waren und immer beim Spielen störten. Im letzten Frühjahr hatten die beiden Nicole und Denise einmal mit Regenwürmern beworfen. Nicole hatte einen Wurm mitten ins Gesicht bekommen und war vor Ekel regelrecht hysterisch geworden. Seitdem traute sie ihnen alles Schlechte zu.
    »Wenn sie uns wieder ärgern«, fragte sie,»darf ich dann mit Denise hier spielen? Wenn ich mit Denise hier bin, bin ich ja nicht allein. Wir bleiben auch bestimmt in meinem Zimmer. Wir laufen

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