Der stille Schrei der Toten
keinen Ersatz zum Wechseln eingepackt? Vielleicht sollte ich mir in einem der Souvenirläden ein T-Shirt kaufen, etwa mit der Aufschrift FRENCH QUARTER oder NEW ORLEANS SAINTS oder VAMPIRES LOVE THE BIG EASY. Letzteres hätte mir am ehesten zugesagt, weil darauf der gut aussehende Lestat aus den Romanen von Anne Rice abgebildet war, komplett mit ausgefahrenen Fangzähnen, von denen das Blut tropfte. Vielleicht sollten wir uns in der Ozarks-Region zur Ankurbelung des Tourismus etwas Ähnliches zulegen, nur waren Werwölfe schlecht dazu geeignet oder gar verrückte Killer, die ihre Opfer an gedeckte Tische unter Wasser platzierten. Das brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück, und ich trottete weiter.
An meinem Gate nahm ich in einer leeren Sitzreihe vor einer Wand Platz und massierte eine Weile lang meine malträtierten Füße. Ich legte den Kopf zurück und schloss die Augen, schlug sie aber sofort wieder auf, als sich jemand direkt neben mich setzte. Ich platzte vor Ärger und wollte gerade darauf hinweisen, dass es jede Menge Sitzgelegenheiten nicht direkt auf meinem Schoß gab, als ich Dr. Black erkannte. Prost Mahlzeit!
Er sagte: »Hallo, Detective.«
Ich hätte ihn kaum erkannt, weil er anstatt seines Psychiater-Looks, Anzug aus italienischer Seide und gestärktes weißes Hemd, nun in den Look des Kumpels von nebenan gewechselt war, verwaschene Jeans, schlichtes weißes T-Shirt und schwarze Laufschuhe. Mannometer, er sah direkt aus wie ein echter Mensch aus Fleisch und Blut. Ich sagte: »Was gibt’s, Doc? Mischt man sich plötzlich unters gemeine Volk? Ich dachte, Sie wären in Ihrer eigenen schnuckeligen Privatmaschine längst über alle Berge?«
»Sind Sie immer so nett?«
Ich tat so, als würde ich überlegen. »Ja, Sir, meistens schon.«
Black wirkte ungewöhnlich angespannt und so gar nicht in Plauderlaune. »Ich muss mit Ihnen sprechen. Dringend.«
»Hab ich Ihnen meine Handynummer denn nicht gegeben?«
»Ich habe gesagt, es ist wichtig.«
»Okay, schießen Sie los.« Ich ertappte ihn dabei, wie er die vorbeikommenden Menschen mit ihren Rollkoffern und über die Schulter geworfenen Reisetaschen beobachtete. Vielleicht war er ja nur gekommen, um mit mir Menschenbeobachtung zu treiben, aber ich gebe zu, ich war neugierig. Sein Jet hätte schon vor ein paar Stunden abheben sollen – eine Menge Zeit für einen vielbeschäftigten Mann, der einem strikten Zeitreglement unterstand. Er hatte also extra meine Flugnummer in Erfahrung gebracht und so lange gewartet, bis ich auftauchen würde.
»Ich habe wichtige Informationen für Sie«, sagte er, ohne mich anzusehen. Er hielt den Blick weiter auf die Passanten gerichtet, bis ich nervös wurde und ebenfalls begann, die anderen Fluggäste anzuglotzen. Montenegro-Typen sah ich keine herumlungern, aber es gab ja die Möglichkeit der Verkleidung.
»Okay.« Manchmal konnte ich unglaublich direkt sein.
»Sie müssen schwören, das Folgende absolut vertraulich zu behandeln.«
»Entschuldigung, aber das ist unmöglich. Ich arbeite bei der Strafverfolgung, erinnern Sie sich? Ich erstatte vielen Leuten Bericht, meinem Kollegen, dem Sheriff, dem Staatsanwalt, dem Richter und der Jury, um nur ein paar zu nennen.«
»Dann muss ich leider schweigen. Aber es handelt sich um einen maßgeblichen Hinweis, der Sie direkt auf die Spur von Sylvies Mörder führen könnte.«
»Ach ja? Vielleicht würde ja der Vorwurf der Rechtsbehinderung Ihre Zunge lösen?«
Black runzelte die Stirn und dachte kurz nach, kam aber dann zu dem Schluss, dass ihm der Vorwurf der Rechtsbehinderung wohl eher nicht in den Kram passte, obwohl derlei bei der Staatsanwaltschaft nie und nimmer durchkommen würde. »Ich habe heute erfahren, dass Sylvie von einem Stalker belästigt wurde. Der Typ verfolgt sie schon seit Highschool-Tagen. Ich habe seinen Namen, und er wohnt in den Sümpfen im Süden der Stadt. Gar nicht weit, höchstens ein paar Stunden.«
Nun wurde es richtig spannend. Ich zückte meinen Notizblock. »Wie ist sein Name?«
»Ich dachte, Sie wollten sofort dorthin und ihm ein paar Fragen stellen, solange Sie hier sind.«
»Sehr richtig. Geben Sie mir seinen Namen und die Adresse, und Sie können Ihrer Wege gehen.«
Black schüttelte den Kopf, lehnte sich zurück und legte ein Bein über das andere. »Keine Chance. Ich werde Sie begleiten.
Ohne mich als Führer finden Sie seine Wohnung in den Sümpfen nie.«
Ich marterte ihn mit strengen Blicken, in der Hoffnung, er
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