Der stille Schrei der Toten
perfekt zubereitet. Mein Magen reagierte sofort mit heftigem Knurren. Ich runzelte die Stirn und tat erst mal so, als wäre meine schlechte Laune für den unerwarteten Aufruhr verantwortlich.
»Gut, Sie haben Hunger«, sagte Black. »Ich auch.«
»Wann ist denn mein Boot fertig?«, fragte ich, indem ich mich mit größerem Appetit als er über das Frühstück hermachte. Es war lange her gewesen, seit ich zum letzten Mal was gegessen hatte. Ich versuchte mich daran zu erinnern, ob ich die Platte mit der Hühnersuppe auf meinem Herd abgestellt hatte. Ich meinte ja.
»Bald. Gab einiges zu tun daran.« Er sah mir, von einem feinen Lächeln begleitet, beim Essen zu. Dann bemerkte ich, wie er meine blauen Flecken musterte.
»Die ersten verblassen bereits, aber die von gestern Abend sehen ziemlich schlimm aus.«
»Ich bekomme leicht blaue Flecken, besonders durch Faustschläge mitten ins Gesicht.«
Er fand das gar nicht lustig, sondern wirkte eher wütend. »Das sind einfach Idioten, und Sie müssen lernen, sich wegzuducken.«
»Ah, jetzt bekomme ich wohl noch Verhaltensmaßregeln?«
»Auf dem College habe ich Boxen gelernt. Sieht so aus, als könnte Ihnen etwas Nachhilfe nicht schaden.«
Mir platzte schier der Kragen. »Der Schlag traf mich völlig unvorbereitet, falls Sie das interessiert. Und noch dazu waren sie zu zweit.«
»Ich kann Ihnen noch mehr beibringen.«
»Und ich kann Ihnen Bescheidenheit beibringen«, sagte ich. »Und wie man ohne Heerscharen von Personal auskommt.«
»Ich bin genügsamer als Sie denken.«
Okay, genug Smalltalk fürs Erste. Zeit für die relevanten Fragen. »Erzählen Sie mir was über Ihre Familie, Black. Hat Jacques seinen Status als Clanchef geerbt, weil er der Ältere von euch beiden war? Und sind Sie bereit, seine Funktion zu übernehmen, falls mal etwas schieflaufen sollte?«
Eigentlich war das nicht so ganz ernst gemeint von mir, aber Black hatte es so verstanden. Er sah auf den See hinaus, und ich sah, dass er meine Äußerung gar nicht lustig fand und dass er auch nicht darauf erpicht war, über seine Familie zu sprechen. Zu schade aber auch, ich nämlich schon. Er sah mich an.
»Jacques ist seinen eigenen Weg gegangen. Wir sind beide so früh wie möglich von zu Hause weggegangen.«
»Warum?«
Dieses Mal zögerte er noch länger. Dann sagte er: »Mein Vater hat meine Mutter regelmäßig geschlagen, bis ich alt genug war, dagegen einzuschreiten und ihn daran zu hindern.«
Schon in den Sümpfen hatte er einmal kurz von seiner Mutter gesprochen. »Wie kam es dazu? Was ist denn passiert?«
Ich war ihm zu hartnäckig, und seine Augen funkelten mich wütend an. »Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, eines Abends, als er wieder mal auf sie einprügelte, habe ich ihm beide Arme mit einem Baseballschläger gebrochen. Danach bin ich weggegangen von zu Hause und unter Angabe eines falschen Alters der Armee beigetreten. Darauf hat er sie nie wieder geschlagen.«
»Wie alt waren Sie?«
»Sechzehn.«
»Leben Ihre Eltern noch?«
»Nein, beide sind mittlerweile verstorben.«
»Jacques ist also seinen Weg gegangen und Sie Ihren.«
Er nickte.
»Ich staune, dass Sie mir das alles erzählen.«
»Ich will, dass Sie mir vertrauen. Sie werden sehen, dass ich ganz in Ordnung bin, wenn Sie mich besser kennen.«
Oh-oh, das hört sich nach Ärger an, dachte ich. Ich legte meine Gabel aus der Hand und dachte, es wäre am besten, diesen rührseligen Stuss einfach zu ignorieren. »Ich bin auf der Suche nach Sylvies Mörder, sonst suche ich nichts. War ja sehr nett gestern Abend von Ihrem Bruder, Ihre Unschuld zu beteuern, aber was mich angeht, gelten Sie in diesem Fall nach wie vor als Verdächtiger. Solange Sie mir Ihre Unschuld nicht bewiesen haben.«
»Ich kann warten. Wenn einer den Fall lösen kann, dann Sie.«
Ich fühlte mich geschmeichelt und verärgert zugleich. Zeit, zu gehen. »Ich melde mich wieder bei Ihnen.«
Er erhob sich von seinem Stuhl. »War mir ein Vergnügen, Detective.«
Mein Boot befand sich nun neben dem Zubringerboot im Wasser, aber ich erkannte es kaum wieder. Es war komplett neu gestrichen und hatte ein paar Sitze zum Angeln dazubekommen. Als ich an der Startleine zog, schnurrte der Motor sofort los wie ein Kätzchen. Ich warf einen Blick nach oben zur Reling und stellte fest, dass Black mich beobachtete. Ich war hocherfreut, und, wenn es Old Betsy betraf, auch gerne bereit, das zum Ausdruck zu bringen.
Ich signalisierte ihm mit Daumen und Zeigefinger
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