Der stille Schrei der Toten
diese frühmorgendliche Pressekonferenz vorbereiten. Aber hüte dich, meinen Namen oder die Adresse zu erwähnen.«
»Ja, ist ja schon gut.« Bud brummte zwar, aber er würde den Termin wunderbar hinkriegen. Niemand präsentierte sich den Kameras so gern wie er, außer natürlich Nicholas Black.
19
Black rief mich später über Handy an und sagte, wir sollten uns an diesem Abend bei ihm zu Hause treffen. Ich antwortete: »Niemals, kommen Sie zu mir oder vergessen Sie’s.« Ich mochte es nicht, herumkommandiert zu werden, auch wenn er Old Betsy einer Generalüberholung unterzogen hatte, sodass sie nun wie neu aussah. Als ich um sieben Uhr nach Hause kam, saß er bereits in meinem Schaukelstuhl auf der verglasten Eingangsveranda. Unglaublich, dass dieser Mensch glaubte, er könne sich einfach so mir nichts, dir nichts in meinen Schaukelstuhl setzen. Vielleicht sollte ich mir ein zusätzliches Schloss anschaffen oder eine Meute bissiger Rottweiler. Er war leger gekleidet, aber nicht ganz so leger wie auf unserem Trip in die Sümpfe, schwarzes Poloshirt und Khakihose, sah gut aus. Leider sah er immer gut aus. Neben ihm stand ein geflochtener brauner Picknickkorb.
»Ich hab mir gedacht, ich bring was zum Abendessen mit. Irgendwie hab ich den Eindruck, Sie essen nur, wenn Sie jemand dazu auffordert.«
Das stimmte zwar, aber wie kam er dazu, mir meine Versäumnisse vorzuhalten? »Hören Sie, Black, wenn ich eine Nanny wollte, würde ich nach England ziehen. Wir kommen hier auf rein beruflicher Ebene zusammen, sonst nichts. Versuchen Sie nicht, eine persönliche Note reinzubringen.«
Er lächelte, als hätte er mich überhört. »Philippe hat Hühnchen gemacht, Caesar-Salat und Ofenkartoffeln. Dazu gibt es ein Fläschchen Dom Perignon.«
Philippe, der französische Küchenchef des Fünf-Sterne-Restaurants von Cedar Bend ließ sich also auch zur Kreation eines Picknicks herab, aber dann bitteschön mit Champagner.
Ich war beeindruckt. Mein Magen knurrte, als ich die Haustür aufsperrte, und ich musste zugeben, dass Black leider recht hatte. Den ganzen Tag über hatte ich nicht einen Bissen gegessen. Entnervt machte ich mich an meinem Anrufbeantworter zu schaffen. Black schien sich nicht weiter daran zu stören, dass ich ihn mit dem Picknickkorb einfach auf der Veranda stehen ließ.
Ohne lange zu zögern, ging er auf die große Eiche in meinem Vorgarten zu; dort stand ein alter Picknicktisch, und an einem der großen ausladenden Äste hing an Ketten eine Schaukel. Ich fummelte noch an meinem Anrufbeantworter herum, da begann er auch schon, das Essen sowie feinstes weißes Porzellan auf der zerschrammten Tischplatte zu arrangieren. Mich überkam plötzlich dasselbe Gefühl, wie ich es in meiner Ehe oft gehabt hatte, das Gefühl, ich würde ersticken. Zum ersten Mal seit Jahren meinte ich, bei mir würde sich ein Eindringling breitmachen. Mir gefiel das alles gar nicht.
»Hi.« Das war Dotties Stimme. »Komm doch mal rüber, sobald es geht, und erzähl uns, wie das mit Black gestern Abend gelaufen ist. Ich habe an diesem Wochenende frei, und Suze und ich fliegen nach Dallas. Vergiss also nicht, gelegentlich bei Harve vorbeizuschauen, um zu sehen, ob alles da ist, was er braucht. Tausend Dank. Bin am Montag oder Dienstag wieder zurück, kommt auf die Flüge an. Küsschen. Ach ja, freut mich, dass der Grog so gut gewirkt hat.«
Das stimmte nun wirklich. Ich schlief an die zehn Stunden durch. Gut, dass Black und seine Freunde mich in der Nacht nicht umbringen wollten. Aber es war meine eigene Schuld. Ich hätte einfach nicht alleine mit Black mitgehen dürfen. Dieser Mann war immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, aber das ließ sich ändern.
Ich ging nach draußen und hatte sofort den Duft von knusprig gebratenem Hühnchen in der Nase. Sofort geriet mein Entschluss, sein kulinarisches Angebot zu verweigern, ins Wanken.
»Die Champagnerkelche hab ich leider vergessen«, sagte er. »Hätten Sie vielleicht Gläser da?«
»Klar«, sagte ich und holte zwei Limogläser mit MickeyMouse-Abbildungen. Dottie hatte sie von Disney World in Orlando mitgebracht, aber man bekam sie eigentlich auch in jedem Supermarkt in Osage Beach. Ich setzte mich, während er die Gläser bis zum Ansatz von Mickeys Ohren füllte. Wir sprachen kaum beim Essen, was ziemlich angenehm war, aber seine Blicke gefielen mir nicht. Er sah mich an wie ein Untersuchungsobjekt, das an einer Nadel aufgespießt war. Von meinem Champagner nahm ich keinen
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