Der stolze Orinoco
gleiche Stimmung kommen würden – war auf den 12. August, mitten in der Regenzeit, angesetzt.
Am Vorabend dieses Tages gegen acht Uhr plauderten zwei im Hôtel von Ciudad-Bolivar abgestiegene Reisende in dem Zimmer eines derselben. Ein leichter erfrischender Luftzug strich durch das Fenster herein, das nach der Alameda-Promenade zu lag.
Eben hatte sich der jüngere der beiden Fremdlinge aufgerichtet und sagte zu dem andern in französischer Sprache:
»Sei achtsam, mein guter Martial, und ehe ich mich zur Ruhe lege, erinnre ich Dich noch einmal an alles, was vor der Abreise zwischen uns vereinbart worden ist.
– Wie Sie wünschen, Jean…
– Sapperment, rief Jean, da fällst Du ja gleich bei den ersten Worten aus der Rolle!
– Aus meiner Rolle…?
– Gewiß… Du duzest mich ja nicht.
– Richtig!… Das vermaledeite Duzen!… Ich bitte Sie… nein, ich bitte Dich… der Mangel an Gewohnheit…
– Der Mangel an Gewohnheit, mein armer Sergeant!… Das meinst Du wirklich?… Seit einem Monat haben wir Frankreich verlassen und Du hast mich doch auf der ganzen Ueberfahrt von Saint-Nazaire bis Caracas Du genannt.
– Das ist freilich wahr! antwortete der Sergeant Martial.
– Und jetzt, wo wir in Bolivar angekommen sind, das heißt, an dem Punkte, wo unsre Reise anfängt, die uns so viel Freude – vielleicht so große Enttäuschungen, so viele Schmerzen bereiten wird..«
Jean hatte diese Worte in tiefer Erregung ausgesprochen. Seine Brust hob sich, seine Augen wurden feucht. Dennoch bemeisterte er sich, als er das Gefühl von Unruhe sah, das die harten Züge des Sergeanten Martial widerspiegelten.
Da schlug er lächelnd einen freundlicheren Ton an.
»Jawohl; jetzt, da wir in Bolivar sind, vergißt Du, daß Du mein Onkel bist und ich Dein Neffe bin…
– Ich alter Dummkopf! rief der Sergeant Martial, der sich einen tüchtigen Klaps an die Stirne gab.
– Nein… doch Du beunruhigst Dich, und statt daß Du mich behütetest, scheint es fast nöthig… Sage mir, lieber Martial, pflegt nicht gewöhnlich der Onkel den Neffen zu duzen?
– Allerdings wohl immer.
– Und hab’ ich Dich nicht seit unsrer Einschiffung daran gewöhnt, indem ich stets Du zu Dir sagte?
– Ja… und doch… damit angefangen hast Du nicht so von… von…
– Kleinauf! unterbrach ihn Jean, das Wort besonders betonend.
– Freilich… nicht von kleinauf! wiederholte der Sergeant Martial, dessen Blick, als er sich auf den angeblichen Neffen richtete, einen ganz sanften Ausdruck bekam.
– Und vergiß auch nicht, setzte der junge Mann hinzu, daß »klein« auf Spanisch
pequeño
heißt.
–
Pequeño
, wiederholte der Sergeant Martial. Ein hübsches Wort. Ich kenne es und auch noch gegen fünfzig andre… kaum mehr, soviel ich mir auch Mühe gegeben habe!
– O, der Dickschädel! rief Jean. Hab’ ich Dir während der Ueberfahrt auf dem »Pereire« nicht Tag für Tag Deine spanische Aufgabe überhört?
– Zugegeben, Jean! Es ist aber schrecklich für einen alten Soldaten in meinen Jahren, der sein Lebtag nur französisch gesprochen hat, noch dieses Charabia der Andalusier lernen zu sollen. Wahrhaftig, es fällt mir schwer, mich zu hispanisieren, wie jener Andre sagt…
– Das wird sich schon noch finden, lieber Martial.
– Na ja, für die fünfzig Wörter, wovon ich sprach, hat sich’s ja schon gefunden. Ich kann zu essen verlangen: »
Deme usted algo de comer
; zu trinken:
Deme usted de beber
«; um ein Bett ersuchen: »
Deme usted una cama
«; nach dem Wagen fragen: »
Enseñeme usted el camino
«; wie viel kostet das?:
»Cuánto vale esto
« Ich kann auch Danke schön! »
Gracias
« und Guten Tag!: »
Buenos dias
« sagen, ebenso wie Guten Abend!: »
Buenos noches
«, und wie befinden Sie sich?: »
Como esta usted?
« Daneben versteh ich zu wettern und zu schimpfen wie ein Aragonier oder ein Castilianer:
Carambi de carambo de caramba
…
– Genug, genug! unterbrach ihn Jean, ein wenig erröthend. Diese Schimpfreden hab ich Dir nicht gelehrt, und Du wirst gut thun, sie nicht bei jeder ersten besten Gelegenheit anzuwenden…
– Was denkst Du, Jean?… Die Gewohnheiten eines alten Unterofficiers! Mein Leben lang hab’ ich mit lauter Tölpeln und mit manchem Donnerwetter nur so herumgeworfen, und wenn man seine Rede nicht mit ein paar solchen Kraftausdrücken würzt, kommt sie mir immer recht schal vor. Was mir am meisten gefällt an diesem spanischen Kauderwälsch, das Du wie eine Señora sprichst…
– Nun,
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