Der stolze Orinoco
Hütten oder Strohhäuschen verdienen, finden sich darunter doch einige, die einen gewissen Comfort bieten.
Die Herren Miguel, Felipe und Varinas fanden Unterkommen beim Gouverneur. Der hochangesehene Mann bestand darauf, die drei Gelehrten aus Ciudad-Bolivar als Gäste aufzunehmen. Wahrscheinlich wurde die Behausung Seiner Excellenz also noch der Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen, die sie nahezu unbewohnbar machten. Auf diesem Punkte waren Herr Miguel und seine beiden Collegen indeß noch nicht angelangt. Ehe man in ernste Verhandlungen eintreten konnte, mußten die in Frage kommenden Oertlichkeiten besichtigt, näher erforscht und jedes Für und Wider zur Formulierung eines Urtheils gegeneinander abgewogen werden. Die Streitfrage erheischte also eine sorgsame Untersuchung der Mündung der drei Flüsse, längeren Aufenthalt an der Vereinigung des Atabapo und des Guaviare, vielleicht auch auf die Strecke von so und so viel Kilometern die Besichtigung ihres Laufes. Vorläufig hatten indeß die Vertreter und Vertheidiger der drei Wasseradern gründlich auszuruhen, um sich von den Mühsalen einer über sechswöchigen Reise auf dem unteren und mittleren Orinoco zu erholen.
Der Sergeant Martial und Jean von Kermor konnten sich in einer Art leidlichen Gasthauses einmiethen, das unweit des Hafens lag und wo sie weitere Auskunft abzuwarten gedachten, um danach ihre Nachsuchungen in dieser oder jener Richtung fortzusetzen.
Jacques Helloch und Germain Paterne zogen es vor, gleich auf ihrer Pirogue zu bleiben. Einmal an diese schwimmende Wohnstätte gewöhnt, glaubten sie sich hier besser untergebracht, als irgend wo anders. Die »Moriche« hatte sie nach San-Fernando gebracht, und die »Moriche« sollte sie nach Caïcara zurückführen, sobald ihre wissenschaftliche Mission erledigt wäre.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß die Schiffsleute, gleich nachdem die Wuth des Chubasco gebrochen war, sich beeilt hatten, die drei Falcas nach dem Hafen von San-Fernando zu schaffen. Das gelang noch am nämlichen Abend, denn jene heftigen Stürme pflegen sich meist schon binnen zwei bis drei Stunden auszutoben. Ganz ohne Beschädigung waren die Piroguen bei den wiederholten Zusammenstößen auf dem Strome und bei dem schließlichen Auflaufen am Ufer freilich nicht davongekommen; die erlittenen Havarien waren aber so leichter Natur, daß sie schnell ausgebessert werden konnten. An Zeit jedoch fehlte es weder der »Maripare«, noch der »Moriche«, da ihre Passagiere jedenfalls in San-Fernando verweilen sollten. Mit der »Gallinetta« lag das nur insofern anders, als Jean, ohne einen Tag zu verlieren, weiter fahren wollte, sobald ihn irgendwelche Aufschlüsse auf die Spuren des Oberst von Kermor hinwiesen.
Seine Reisegenossen, die sich für das Unternehmen des jungen Mannes ja so lebhaft interessierten, wollten auch nichts unversucht lassen, weitere Nachrichten zu erlangen. Durch Herrn Miguel und seine beiden Collegen war ferner die Mitwirkung des Gouverneurs von San-Fernando so gut wie gesichert, und kein Besserer als er hätte ja eine genaue Umfrage in die Hand nehmen können. Jacques Helloch und Germain Paterne wollten ebenfalls ihr Möglichstes thun, um ihre Landsleute zu unterstützen. Sie besaßen Empfehlungsbriefe an einen hervorragenden und sehr gefälligen weißen Bewohner des Ortes, an einen jetzt achtundsechzigjährigen Herrn Mirabal, dessen schon Chaffanjon in dem Berichte über seinen Zug nach den Quellen des Orinoco mit dankbarer Anerkennung Erwähnung thut. Die beiden – oder vielmehr die vier – Franzosen fanden bei dessen hochachtbaren, liebenswürdigen Familie gewiß den besten Empfang.
Ehe wir jedoch von den Schritten erzählen, die die Reisenden nach ihrem Eintreffen in San-Fernando unternahmen, sei noch kurz geschildert, wie sie nach der Strandung der Piroguen den Weg nach der Ortschaft zurücklegten.
Wie erwähnt, trug der Sergeant Martial Jean in den Armen, die Herren Miguel, Felipe und Varinas gingen den Beiden voraus, und Jacques Helloch nebst Germain Paterne folgten ihnen nach. Letzterer hatte versichert, daß eine ruhige Nacht dem jungen Manne alle früheren Kräfte wiedergeben werde. Vorsorglicherweise hatte er gleich seine Reiseapotheke mitgenommen, an Hilfe und Pflege konnte es dem jungen Manne also nicht fehlen. Es war freilich ebenso verletzend wie unbegreiflich, daß der Sergeant Martial Germain Paterne immer in gewisser Entfernung zu halten suchte, wenn dieser sich einmal theilnehmend
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